(Richard Abelson) Das EU-Parlament wird am 23. Juni darüber abstimmen, ob Abtreibung ein „Menschenrecht“ ist. Kritiker befürchten, die sog. „Matić-Resolution“ könnte dazu führen, dass Kritik an Abtreibung unterdrückt wird, Ärzte gegen ihren Willen gezwungen werden, Abtreibungen durchzuführen und einen Rechtsanspruch auf Abtreibung bis zur Geburt verankern.
Die „Matić-Resolution“ des kroatischen sozialistischen EU-Abgeordneten Predrag Fred Matić definiert „sexuelle und reproduktive Rechte“ als „Menschenrechte“: „Verstöße gegen diese Rechte sind daher Verstöße gegen die Menschenrechte.“ Kritiker befürchten, dass diese absolute Formulierung genutzt werden könnte, um auf dem Gerichtsweg eine weitreichende Liberalisierung der Abtreibungsgesetze in Europa bis hin zum Zeitpunkt der Geburt zu erzwingen.
Moralische Bedenken? Nicht in der „von der Leyen“-EU
Dies wird im Entwurf selber angedeutet, der sich auf den demokratisch nicht kontrollierbaren „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ bezieht: Nach bisheriger Praxis „können Angehörige der Gesundheitsberufe häufig die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen verweigern, wenn sie moralische Bedenken haben“ oder „die ihrer Meinung nach mit ihren religiösen, moralischen, philosophischen oder ethischen Überzeugungen unvereinbar ist.“
In Zukunft sollte die Gewissensentscheidung von Ärzten und Pflegern „als Verweigerung der medizinischen Versorgung und nicht als sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen behandelt werden“, so der Entwurf: „Zahlreiche Mitgliedstaaten (20+) sehen das Recht auf die sogenannte Verweigerung aus Gewissensgründen vor.“
Der EGMR habe jedoch festgestellt, dass die „Gewissensklausel“ nicht dazu verwendet werden sollte, „den Zugang zu Dienstleistungen, auf die sie gesetzlich Anspruch haben, zu sperren. In der Praxis geschieht genau das in der gesamten EU täglich – Frauen haben keinen Zugang zu ihrem gesetzlich gewährten Abtreibungsrecht, da das medizinische Personal ihnen diese medizinische Versorgung verweigert.“
Reicht Buchung einer Last-Minute-Reise als Abtreibungswunsch?
Im Klartext: Nach der Matić-Resolution können Ärzte und Pfleger auch gegen ihr Gewissen dazu gezwungen werden, Abtreibungen durchzuführen. Kritiker befürchten, dass dies sogar die Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Geburt legalisieren könnte und Ärzte dazu zwingen könnte, ausgewachsene Babys auf Wunsch der Mutter kurz vor der Entbindung zu töten. Denn die Resolution sieht keinerlei zeitliche Beschränkung des „Menschenrechts auf Abtreibung“ vor.
„Die Legalisierung der Abtreibung bis zum Zeitpunkt der Geburt wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt,“ so Rechtsexperte Nicolas Bauer der konservativen NGO „European Center for Law and Justice“ gegenüber Philosophia Perennis. „Im Text wird jedoch keinerlei zeitliche Begrenzung erwähnt. Das ist eine bewusste Auslassung, die viel bedeutet und kritisiert werden muss“, so Bauer.
In § U der Resolution werden „informelle Hindernisse für den Zugang zu Abtreibungen“ angeprangert, „einschließlich begrenzter Zeiträume“ und der „Verweigerung der medizinischen Versorgung aufgrund persönlicher Überzeugungen, voreingenommener Beratung und Beratungspflicht, (und) irreführender Informationen.“
Frauenrecht steht über Lebensrecht
Nach § 33 der Resolution wird eine Verweigerung eines Schwangerschaftsabbruchs aus religiösen oder Gewissensgründen durch einen Arzt oder Pfleger mit einer „Gefährdung des Lebens und die Rechte der Frauen“ gleichgesetzt. Mitgliedstaaten werden aufgefordert, die „Gewissensklausel“ zu streichen.
Kritiker der Resolution befürchten also nun, dass die Resolution benutzt werden könnte, Ärzte und Pfleger dazu zu zwingen, Abtreibung gegen ihr Gewissen durchzuführen, ohne zeitliche Begrenzung, d. h. bis zum Zeitpunkt der Geburt.
Der Hinweis auf „irreführende Informationen“ lässt befürchten, dass abtreibungskritische Infos und Posts in der EU zensiert werden könnten. Der abtreibungskritische Film „Unplanned“ wurde 2019 in kanadischen Kinos aus dem Vertrieb genommen und auf Twitter gesperrt. Mainstream-Medien in den USA weigerten sich, Werbung für den christlichen Kinohit zu machen. „Unplanned“ erzählt die wahre Geschichte der Abtreibungsaktivistin Abby Johnson, die für Planned Parenthood an über 22.000 Abtreibungen mitwirkte, bis sie zur Abtreibungsgegnerin wurde.
Planned Parenthood, Zulieferer der Abtreibungsindustrie
Die Abtreibungs-NGO „International Planned Parenthood Foundation“ erhielt im Jahr 2019 laut dem EU-Finanztransparenzportal € 68.285 von der EU, und 250.000 $ von den Open Society Foundations.
Der EU-Abgeordnete Joachim Kuhs hat an alle Bischöfe Deutschlands und Österreichs geschrieben, und sie aufgefordert, sich für einen Aufschub der Abstimmung einzusetzen:
„Der Schutz und die Verbesserung der vorgeburtlichen Gesundheit von Müttern und Kindern, wie sie die medizinischen Standards der Weltgesundheitsorganisation vorschreiben, hat oberste Priorität. Aber darum geht es in dem Vorhaben nicht. Der Begriff ’sexuelle und reproduktive Gesundheit und damit verbundene Rechte‘ ist eine Worthülse, um Abtreibung menschlicher Embryonen zu legitimieren. Dafür mobilisieren Abtreibungsbefürworter im EU-Parlament auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die Abtreibung als Mittel der Geburtenkontrolle nicht ausschließen oder gar fördern und die maßgeblich von der EU-Kommission finanziell unterstützt werden.
Die sogenannten Christdemokraten verraten den Lebensschutz
Zum jetzigen Entschließungsantrag wurden im zuständigen Ausschuss 503 Änderungsanträge eingereicht – ein Rekord. Die kosmetischen Änderungen kommen von den Christdemokraten von CDU/CSU und ÖVP. Die substanziellen Änderungsanträge zum Schutz des Rechts auf Leben im Mutterleib und für den Respekt des Subsidiaritätsprinzips in der EU wurden hingegen von den EU-Abgeordneten der AfD und der FPÖ eingereicht. Das ist nicht verwunderlich: Die Christdemokraten lassen sich nämlich bei diesen wichtigen Verhandlungen ausgerechnet von der irischen Abgeordneten Frances FITZGERALD vertreten, die eine führende Lobbyistin für die Liberalisierung von Abtreibung in Irland ist.
Deswegen bitte ich Sie, jetzt tätig zu werden und bei den Mitgliedern des Frauenausschusses des EU-Parlaments vorzusprechen, um zunächst die Abstimmungen im Ausschuss und somit auch im Plenum auf einen Zeitpunkt nach der Sommerpause zu vertagen. Damit bleibt die Möglichkeit des Informationsaustausches mit gesellschaftlich relevanten Gruppen und Experten zu dieser überaus wichtigen Thematik zeitlich länger erhalten, was aufgrund der besonderen Umstände rund um Covid-19 sehr wünschenswert ist.
So haben auch jene Mitglieder des EU-Parlaments, die nicht im Frauenausschuss vertreten sind, die Möglichkeit, sich ausreichend über die Auswirkungen ihres Abstimmungsverhaltens zu informieren. Wenn die zeitliche Verschiebung nicht gewünscht ist, dann sollte die jetzige Vorlage abgelehnt werden.“
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