Sonntag, 17. November 2024

Bodo Ramelow: Ein Linker verwirrt mit liberal-konservativen Plänen

Ausgerechnet Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will sämtliche Corona-Beschränkungen in seinem Bundesland nach Pfingsten aufheben – ein echter Paukenschlag, der einem politischen Erdbeben gleichkommt. Das Unbehagen vieler Journalisten ist förmlich zu spüren, die den Politiker der Linkspartei einerseits nicht ins Lager der „bösen Rechten“ stecken können, andererseits ihrer geliebten rot-grünen Kanzlerin aber auch nicht in die Parade fahren wollen. Ein Gastbeitrag von Ramin Peymani.

In Deutschland gibt es immer weniger Menschen, die als akut Corona-infiziert gelten. Offiziell liegt ihre Zahl inzwischen unter 10.000. Schon die hohe vermutete Dunkelziffer lässt erahnen, dass die meisten Infizierten entweder symptomfrei oder nur milde erkrankt sind. Längst übersteigt die Zahl der „Gesundeten“ die der Neuinfizierten.

Die mit Corona in Verbindung gebrachten neuen Todesfälle nehmen immer weiter ab. „Corona-Tote“ gibt es fast nur noch in den bevölkerungsreichsten Ländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, in denen rund die Hälfte aller Bundesbürger leben. Ansonsten zeigt sich deutschlandweit das Bild einer rapide abflauenden Epidemie, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass die lange Zeit als Maß aller Dinge gepriesene Ansteckungsrate „R“ unter 1 verharrt. Das sind phantastische Nachrichten.

Die als Hauptargument für die Lockdown-Maßnahmen ins Feld geführte Überlastung des Gesundheitssystems ist nunmehr ausgeschlossen. Deutschland dürfte Corona nach epidemiologischer Definition überstanden haben und wäre auch für eine „Zweite Welle“ gerüstet. Lokal aufflammende Infektionsherde sind – wie sich am Wochenende gezeigt hat – mithilfe der Erfassungsmaßnahmen schnell eingrenzbar.

Es ist daher alles andere als leichtsinnig, weitere Lockerungsmaßnahmen oder gar die vollständige Öffnung zu fordern. Wer dies tut, gilt vielen dennoch als „Corona-Leugner“, Rechtspopulist oder Verschwörungstheoretiker. Nun prescht einer vor, der sich so gar nicht in die sorgsam vorbereiteten Schubladen der polit-medialen Kaste einsortieren lässt.

Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet ein Vertreter der SED-Nachfolgepartei als Erster ankündigt, den Bürgern ihre volle Freiheit zurückzugeben

Ausgerechnet Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow will sämtliche Corona-Beschränkungen in seinem Bundesland nach Pfingsten aufheben – ein echter Paukenschlag, der einem politischen Erdbeben gleichkommt. Das Unbehagen vieler Journalisten ist förmlich zu spüren, die den Politiker der Linkspartei einerseits nicht ins Lager der „bösen Rechten“ stecken können, andererseits ihrer geliebten rot-grünen Kanzlerin aber auch nicht in die Parade fahren wollen.

Die Süddeutsche Zeitung überlässt die Einschätzung sicherheitshalber gleich ganz ihren Lesern. Es ist schon bezeichnend für das auf dem Kopf stehende politische Koordinatensystem, dass ausgerechnet ein Vertreter der SED-Nachfolgepartei als Erster ankündigt, den Bürgern ihre volle Freiheit zurückzugeben, jener Partei, die das Einsperren und Gängeln einst perfektioniert hatte. Inzwischen gefällt sich die Merkel-Union in der Rolle, Freiheitsrechte möglichst lange einzuschränken. Tatsächlich gibt es unter Experten einen heftigen Streit darüber, wann und in welchem Maße eine Rückkehr zur Normalität geboten ist. Einige halten gar unbeirrt an der Forderung fest, es dürfe nie wieder ein Leben geben, wie wir es vor dem erklärten Pandemieausbruch kannten. Allerlei Ideologen kochen dabei ihr Süppchen auf der immer noch hell lodernden Corona-Flamme.

Die erheblichen Kollateralschäden der Maßnahmen – auch die gesundheitlichen – bezweifeln allerdings nur noch hartgesottene Realitätsverweigerer. Von 52.000 dringend angezeigten, aber wegen Corona verschobenen Krebsoperationen berichten Deutschlands Ärzte, ebenso von Toten, die hätten verhindert werden können, wären nicht sämtliche Kapazitäten wochenlang für die ausgebliebene Bettenkrise in den Krankenhäusern blockiert worden.

Statt uns fortlaufend mit der Gefahr des Todes zu beschäftigen, müssen wir das Leben wieder annehmen, so schwer dies manchem fallen mag

Wollen wir als Gesellschaft Corona halbwegs heil überstehen, braucht es nun mutige Schritte nach vorne. Ich gehöre zu denen, die das Gros der Maßnahmen für richtig, wenn auch verspätet hielten. Ebenso deutlich sage ich heute: Sie haben ihren Zweck erfüllt. Statt uns fortlaufend mit der Gefahr des Todes zu beschäftigen, müssen wir das Leben wieder annehmen, so schwer dies angesichts von TV-Laufbändern fällt, die unentwegt Infizierte und Verstorbene addieren, statt die geringe Zahl aktiver Infektionen hervorzuheben.

Und warum sollen eigentlich auf einmal alle anderen kollektiv für meine eigene Gesundheit verantwortlich sein? Diese Verantwortung trage ich selbst. Dazu gehört, dass ich Gefahrensituationen meide, sei es der ungeschützte Geschlechtsverkehr, der übermäßige Alkoholgenuss oder gar der Gebrauch von Drogen.

Ebenso ist es meine Aufgabe – und nicht die des Staates oder meiner Mitbürger – darauf zu achten, pfleglich mit meinem Körper umzugehen, mich ausreichend zu bewegen und mich gesund zu ernähren. Für all das brauche ich weder staatliche Vorschriften noch kann ich im Fall der Unterlassung meine Mitmenschen haftbar machen. Die vielen anderen verbleibenden Lebensriskien kann sowieso niemand ausschalten, so sehr die jahrelange Konditionierung, bei der die politisch Verantwortlichen den Wählern suggeriert haben, ihnen jedes Lebensrisiko abnehmen zu können, eine andere Erwartungshaltung geschaffen hat.

Seit Corona soll plötzlich jeder beweisen, dass er für andere keine Gefahr darstellt. Das erinnert fatal an das Wesen von Unrechtssystemen, in denen Angeklagte ihre Unschuld nachweisen müssen und nicht Kläger deren Schuld. Wollen wir wirklich in einer solchen Gesellschaft leben?

Der Beitrag erschien zuerst auf der LIBERALEN WARTE. Peymanis aktuelles Werk Weltchaos erhalten Sie ebenso wie das Vorgängerbuch Chronik des Untergangs auf Wunsch vom Autor signiert. Die beiden Taschenbücher sind signiert auch im Doppelpack erhältlich. Hexenjagd und Das Grauen gibt es ebenfalls im Buchhandel. Spukschloss Deutschland erhalten Sie als Ebook.

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