Dienstag, 29. Oktober 2024

Ab 20. April: Kontaktbeschränkungen nur noch für Menschen ab 60?

(DB) Nach dem ersten Schock darüber, wie die Regierungen in Europa, aber besonders auch die Bundesregierung die Corona-Krise schamlos zu Lasten der Grundrechte ausnützt, melden sich nun vermehrt Stimmen gegen den massiven Eingriff in unsere Freiheitsrechte zu Wort. Darunter auch solche, die sich gerade um den Umgang mit älteren Menschen Sorgen machen.

Die Italiener sind hier schon etwas weiter. Sie thematisierten am 1.April in der Sendung Siamo noi in TV2000 die seelisch-humanen Nöte der alten Menschen in den Heimen sowie die großen Sorgen der Angehörigen. Es wurde darüber offen gesprochen, u.a. mit Ärzten der Geriatrie, dass den Menschen die Nähe und Zuwendung, insbesondere die zärtliche Zuwendung, schrecklich fehlen. Von solcher Not zu berichten, ist den deutschen Medien und Politikern bislang natürlich fremd. Unsere Gastautorin Dr. Juliana Bauer hat das Thema in einem offenen Brief an das Bundeskanzleramt aufgegriffen, den wir hier dokumentieren:

Coronavirus: geplante Verlängerung der Restriktionen für Bürger ab 60 Jahren

(Nachrichten SWR3 28.03.2020, 2 Uhr) Kopien des Briefes an weitere Abgeordnete, Veröffentlichung im Netz

Sehr geehrter Herr Dr. Braun,

mit Entsetzen hörte ich die Nachricht, dass über den angedachten 20. April – sofern dieses Datum bezüglich der Einschränkungs-Lockerungen eingehalten werden kann – massiv verlängerte Kontaktbeschränkungen für „ältere Menschen,“ d.h. für diejenigen ab 60 Jahren, geplant seien. Mir stellt sich hier die Frage, was das bedeutet, „für einen viel längeren Zeitraum“? Zu dieser Nachricht erlaube ich mir daher die folgende Stellungnahme.

Zahlreiche ältere Menschen sind betreffs vieler Erkrankungen nicht gefährdeter als junge. Um zwei Beispiele zu nennen: ein wesentlich jüngerer Verwandter von mir war im Winter schon mehrmals schwer an Influenza erkrankt, während ich, eine über 60jährige, z.B. immer nur einfache Erkältungen davontrug oder über Jahre hinweg überhaupt nicht erkrankt war (und mir zudem eine gute gesundheitliche Kondition bestätigt wurde). Meine Großmutter, die 94 Jahre alt wurde, war bis 93 eine stabile, gesunde Frau. Hingegen gehört die 21jährige Tochter des genannten Verwandten, also eine blutjunge Frau, aufgrund ihres Asthmas z.Z. zur Risikogruppe.

Zahlreiche ältere Menschen sind fit, sind biologisch wesentlich jünger als ihre Papiere ausweisen und sind über ihre Rente hinaus entweder ehrenamtlich oder beruflich sehr engagiert. Beruflich meist nicht allein nur aus Freude an ihrer Arbeit, sondern auch, weil die Rente weder zum Leben, noch zum Sterben reicht. Ich weiß das von vielen Bekannten, ich weiß das aus eigener Erfahrung.

(An dieser Stelle folgt dem Regierungspolitiker gegenüber eine kurze Schilderung meiner finanziell schwierigen Situation, die in der vorliegenden Publikation uninteressant ist).

 Ich bitte Sie nun, die genannte Planung zu überdenken und von der vorgesehenen Grundsätzlichkeit und Ausschließlichkeit abzurücken. Eine Risikogruppe unter den Älteren sind Menschen mit Erkrankungen bzw. Vorerkrankungen. Dazu gehört aber bei weitem nicht jeder ältere Mensch. Außerdem können die Erkrankten ihre Erkrankung und damit ihre Anfälligkeit nachweisen. Es ist nicht richtig, auch nicht trotz Ihrer großen Sorge um die Bürger und deren Gesundheit, allen älteren Menschen einfach weiterhin und „viel länger als jungen“ Kontaktbeschränkungen aufzuerlegen, ja aufzuzwingen.

Sie zwingen damit viele Senioren nicht nur in Restriktionen, sondern sie drängen sie immer mehr in die Isolation. Sie drängen Sie aus ihren, oft für sie notwendigen, beruflichen Aktivitäten, aus ihren freundschaftlichen Kontakten, aus der Beziehung mit ihren Kindern und Enkeln hinaus. Sie nehmen ihnen auch jegliche eigenständige Verantwortung und nehmen sie damit letztendlich nicht ernst. Ihre Sorge um deren Wohlbefinden bzw. deren Gesundheit, Ihre (vermeintliche) Schutzmaßnahme kehrt sich mit dieser „Hygienediktatur,“ wie der katholische Weihbischof Schneider unlängst schrieb, ins Gegenteil um. Auch der evangelische Theologe Heinig warnt gerade vor einem „faschistoid-hysterischen Hygienestaat.“

An dieser Stelle sei überdies zu erwähnen, dass laut Artikel 3 des Grundgesetzes „alle Menschen gleich“ sind.

Sie schaffen hier eine starke Ungleichbehandlung von Jünger und Älter, von Jung und Alt. Sie entfremden dadurch die Generationen nicht nur noch mehr voneinander, sondern Sie befeuern so unweigerlich die bereits breit vorherrschende Achtungslosigkeit und Unsensibilität einer ganzen Reihe junger Menschen den älteren gegenüber. Verlängern Sie die Kontaktbeschränkung der älteren Bürger in besonderem Maße, so wird der Schuss nach hinten losgehen – viele junge Leute sämtlicher Nationen werden sich in den deutschen Städten rücksichtslos ihren Raum erobern nach dem Motto: „Wir sagen ja zu Corona… Es rafft die Alten hin… Das ist nur gerecht “ (Browser Ballet, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet!!!). Dass die Regierung nicht fähig ist, diese zutiefst menschenverachtende, faschistoid agierende Gruppe zu verbieten, macht Ihre Fürsorge, Herr Dr. Braun, für die Älteren unglaubwürdig.  Und – hätten Sie und die anderen europäischen Regierungen mit Blick auf China und den Iran bereits im Januar gehandelt, wäre uns die Misere dieses Ausmaßes erspart geblieben.

Des Weiteren müssten Sie mit einer solchen spezifischen Maßnahme ein massives Kontrollsystem über die älteren Menschen erheben und einen noch massiveren Eingriff in die menschlichen Grundrechte vornehmen. Sie etablieren damit in der Tat eine Hygiene-Diktatur. Können Sie das verantworten? Und was tun Sie, wenn im nächsten oder übernächsten Jahr der nächste Virus Deutschland und Europa „bevölkert“? Was tun Sie dann? Errichten Sie dann eine umfassende, nicht endende Diktatur?

Es gab in deutschen Landen von 1933-45 schon einmal eine Schutzhaft. Gut, das war eine Haft im übelsten Sinn des Wortes mit übelster Intention. Doch wurde sie unter dem Begriff „Schutzverklärt, ein Begriff, der damals vielen deutschen Bürgern suggerierte, die so verhafteten Personen würden zu ihrem „Schutz“ in Gewahrsam genommen. Damals waren es die jüdischen Mitbürger und unliebsame Denker.

Noch eine andere Sache, die Sie bei Ihrer Älteren-Planung nicht vergessen dürfen, eine Tatsache, die Sie ebenso zu berücksichtigen haben: die Tatsache, dass eine große Anzahl von Bundestagsabgeordneten 60 Jahre alt und älter ist, zum Teil sogar weit über 60. Ich zählte aus allen Parteien zusammen mehr als 200 Personen. Die sich in besonderem Gnadenstand wähnende CDU/CSU weist sogar 78 alte und ältere Herrschaften auf (+/- 2/3). Auch diesen müssten Sie dann, inclusive der 65jährigen Frau Bundeskanzlerin, Ihre Vorschriften der Kontaktbeschränkung über Wochen oder Monate hinweg aufoktroyieren. Denn vergessen Sie nicht: alle Menschen sind gleich – so lautet das GG. Aber das hätte natürlich für das Kanzleramt einen „Vorteil“: Sie könnten ohne Parlamentsbeschlüsse weiterbestimmen…!

Des Weiteren gibt es z.B. unter den deutschen Diözesanbischöfen mindestens zehn an der Zahl, die mehr als 60 Jahre alt sind. Es gibt in den Landeskirchen Bischöfe über 60. Und eine große Anzahl an Pfarrern dieses Alters. Wollen Sie diese ebenfalls mit Ihren Maßnahmen „beglücken“? Und sie für Wochen oder Monate von den Menschen fernhalten? Das wäre für die Gläubigen, die „nach Trost und Begleitung, nach Aussprache und Gebet, nach Durchbrechung innerer und äußerer Einsamkeit“ fragen (Landesbischof July), nicht zu verantworten!

Und betrachten Sie mal Landesbischof Bedford-Strohm! Topfit feierte er gerade seinen 60.Geburtstag und fühlt sich „voller Energie.“ Doch er gehört jetzt nach Ihrer Definition, Herr Dr. Braun, zur Risikogruppe. Also beschränken Sie bei verlängerten Restriktionen bitte auch seine Kontakte. Denn – alle Menschen sind gleich (GG)

Nun wünsche ich Ihnen eine von Herz und Verstand getragene Entscheidung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen…

P.S.: Ach, noch etwas für die Nach-Krisenzeit:

Sie könnten mich alle für einen besonders motivierenden Italienisch-Kurs buchen. Bei einer fast originalgetreuen Römerin! Mit dem Temperamente des Vesuvio (ich weiß, der Vesuv blickt auf la bella Napoli)! Und mir damit meine augenblicklichen Unterrichts-Ausfälle als Italienisch-Dozentin bei den Volkshochschulen ersetzen…

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PP-Redaktion
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