Samstag, 20. April 2024

Berliner AfD-Fraktionsvorsitzender Pazderski: „Der Flügel muss offenlegen, wer zu ihm gehört“

Nun ist sie also doch da, die Verfassungsschutzbeobachtung des Flügels in der AfD. Obwohl der Verfassungsschutz die AfD laut Urteil des Verwaltungsgerichts Köln nicht als „Prüffall“ bezeichnen durfte, macht Haldenwang nun genau an dieser Stelle weiter – und setzt eine gesonderte Pressekonferenz gegen den Flügel an.  Jörg Haller konnte mit dem Berliner AfD-Fraktionsvorsitzenden Georg Pazderski darüber exklusiv für „Philosophia Perennis“ sprechen.

PP: Wie beurteilen Sie das öffentlichkeitswirksame Verhalten des Verfassungsschutzes?

Georg Pazderski: Der Verfassungsschutz wird ganz offensichtlich von den Altparteien für deren Feldzug gegen die AfD instrumentalisiert. Der Rauswurf von Maaßen und die Einsetzung eines neuen Erfüllungsgehilfen Angela Merkels sowie ihren Kumpanen und Genossen lässt nur diesen Schluss zu: Der neutrale Beamte musste gehen, um Platz zu machen für einen braven Altparteisoldaten, der auch ohne Fakten blind alle Befehle von oben umsetzt und sich in den Kanon der Anti-AfD-Hetze des Establishments nahtlos einordnet. Mit seriösem Handeln einer Behörde zum Schutz der Verfassung hat das alles nichts mehr zu tun. Für mich ist das Machtmissbrauch. In Deutschland herrscht Demokratienotstand!

PP: Der inhaltliche Vortrag von Herrn Haldenwang enthielt erneut viele Zuschreibungen, ohne wirklich konkret zu werden, und gegenüber dem „Prüffall“ enthielt dies kaum Neues. Wo hat der Verfassungsschutz tatsächlich Recht in der Darstellung einiger Fakten? Am Ende derPressekonferenz sprach der VS-Mann Joachim Seeger nur kurz über tatsächliche Beobachtungsgründe. Berechtigen die dort aufgeführten Vorwürfe auch tatsächlich eine Beobachtung?

Georg Pazderski: Nein, das sehe ich nicht. Man sucht seit Jahren verzweifelt nach einem Weg, die Erfolgsgeschichte der AfD zu stoppen. Nun versuchen die Altparteien, aus der Defensive zu kommen und starten einen erneuten Entlastungsangriff. Ziel ist es, uns in die Enge zu treiben. Dafür greift man nach jedem Strohhalm, der in Reichweite ist. In der Folge kämpfen wir derzeit an zwei Fronten: Zum einen müssen wir den von den Altparteien instrumentalisierten Verfassungsschutz vor Gericht stoppen. Ein Geheimdienst darf in einer Demokratie niemals gegen die Opposition eingesetzt werden. Das bezeichnen wir wie gesagt als Demokratienotstand. Zum anderen müssen wir in der Sache eine klare Position beziehen: Wer das Grundgesetz ablehnt, gehört nicht in die AfD. Bundesvorstand und Flügel sind hier gleichermaßen in der Pflicht, radikale Stimmen in der Partei zum Schweigen zu bringen bzw. sich von diesen Personen zu trennen. Jetzt noch dringender als jemals zuvor. Denn nichts ist dümmer, als dem Gegner Munition für seine Kanonen zu liefern.

PP: Sie selbst haben immer wieder den Flügel kritisch beobachtet. Zuletzt formulierten Sie ein Papier „Erfurt, Hamburg und die Folgen für die AfD“, in dem Sie die Fraktion in Thüringen mit Herrn Höcke an der Spitze zwar lobten für die realpolitischen Absichten, aber deren konkretes Vorgehen kritisierten. Viele warfen Ihnen vor, der Fraktion in den Rücken zu fallen. Wollen Sie damit die Partei spalten? Was ist Ihr Ziel?

Georg Pazderski: Wir wollen die bürgerliche Wende in Deutschland. Das schaffen wir aber nicht alleine. Um die rotrotgrüne Vorherrschaft zu beenden und die vorhandenen bürgerlichen Mehrheiten in konkrete Politik umzusetzen, darf eine Ministerpräsidenten-Wahl gegen die Stimmen von Rotrotgrün wie in Thüringen nicht mehr zum Eklat führen sondern muss ganz selbstverständlich werden. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg für alle Beteiligten, wie die Reaktionen gezeigt haben. Ich befürchte, er ist sogar noch steiniger geworden, als er es vor Thüringen war.


PP: Für die Forderung der Annäherung und Koalition zur CDU wurden vor wenigen Jahren die konservativen Kräfte in der AfD durch viele aus dem Flügel massiv angefeindet, es kam immer zum öffentlichen Eklat. Nach mehreren Jahren im Landesparlament will Herr Höcke nun mit Zusammenarbeit mit der CDU genau das zu tun, was er damals so vehement abgelehnt hat. Sehen Sie darin eine positive Entwicklung des Flügels – was ist zusammengefasst Ihre Kritik an der Fraktion in Thüringen?

Georg Pazderski: Was in den vergangenen Wochen in Thüringen geschehen ist, ist genau das, was die Berliner AfD seit Jahren fordert. Bereits Anfang 2017 haben wir unseren “Berliner Kurs” definiert, der für die Landesebene sowohl die Möglichkeit einer direkten Regierungsbeteiligung der AfD als auch die Unterstützung einer bürgerlichen Minderheitsregierung vorsieht – also genau das, was in Thüringen beabsichtigt war. Ebenfalls Anfang 2017, hatte Björn Höcke in einer Rede in Dresden eine mögliche Zusammenarbeit mit den anderen Parteien noch rigoros abgelehnt und sich dafür ausgesprochen, dass die AfD nur dann Regierungsverantwortung übernehmen soll, wenn sie Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann. Absolute Mehrheit oder Opposition – so lautete jahrelang das Credo. Von dieser kompromisslosen Alles-oder-Nichts-Haltung ist er nun für alle erkennbar abgerückt. Er hat wie die Berliner AfD erkannt: Wir können nicht jahre- oder jahrzehntelang in der Opposition warten, wenn wir unser Land endlich wieder auf den richtigen Kurs bringen wollen. Die AfD in Thüringen hat sich also als lern- und politikfähig erwiesen. Dennoch wurden Fehler gemacht: So wurden keine Vorbedingungen für die Zusammenarbeit mit CDU und FDP aufgestellt. Es gab jenseits des gemeinsamen Interesses an der Ablösung eines linken Ministerpräsidenten offenbar kaum Bemühungen, über die Sachpolitik einer bürgerlichen Landesregierung zu reden. Schon deshalb musste der Versuch, eine bürgerliche Wende in Thüringen herbeizuführen, scheitern. Das war kein Zufall. Die AfD in Thüringen musste ihre Unterstützung zum Nulltarif erbringen, weil sie kein ernst zu nehmender Verhandlungspartner war.

PP: Die AfD positioniert sich auf der Seite „Wir sind Grundgesetz“ in sehr klarer Weise gegenüber Zuschreibungen. Hätte diesen Klarstellungen insbesondere von Herrn Höcke nicht viel früher kommen müssen? Immer wieder heißt es in privaten Gesprächen, man würde ja gern AfD wählen, wenn denn „dieser Flügel und der Höcke“ nicht wären. Abgesehen von einer möglichweise fehlenden Legitimation, zeigt der Verfassungsschutz in seinen Ausführungen hier nicht unfreiwillig auf, was ein großer Teil der Deutschen denkt.

Georg Pazderski: Der Verfassungsschutz wird wie eingangs beschrieben instrumentalisiert. Das muss als erstes beendet werden und die AfD muss natürlich ihren Beitrag dazu leisten. Vor allem auch der Flügel, indem er seine Strukturen und seine politische Arbeit in der Partei offen legt. Nur durch volle Transparenz kann die Absurdität der Beobachtung schnell wieder beendet werden. Dazu gehört auch, dass der Flügel offenlegt, wer zu ihm gehört. So schützt er die Masse der AfD-Mitglieder, die mit dem Flügel nichts zu tun haben, vor einer möglichen Bespitzelung durch den Inlandsgeheimdienst und kann für jedes seiner Mitglieder individuell nachvollziehbar erklären, dass es absolut verfassungstreu ist.

PP: Herr Höcke hat sich auf dem letzten Bundesparteitag gegenüber der Presse immer wieder entschuldigt für seine umstrittenen Aussagen, speziell zur Dresdner Rede (u.a. 180-Grad-Wende bei der Erinnerungskultur, Mahnmal der Schande). Nach der Wahl in Thüringen hat er das auf der Bundespressekonferenz in Thüringen vor den versammelten Journalisten in sympatisch wirkender Weise wiederholt. Gleichzeitig sagt in einer Wahlkampfrunde (ab Minute 3.30) jedoch, er stehe zu jedem einzigen Wort der Dresdner Rede, diese Aussagen seien legitim. Wie glaubwürdig ist Björn Höcke, der sich nur für Interpretationsspielräume entschuldigt, aber sich vom Inhalt nicht distanziert – und jeder Zielgruppe gerade das erzählt, was diese hören will? Wie werden diese offensichtlichen Widersprüche in der Partei wahrgenommen?

Georg Pazderski: Björn Höcke trägt einen Teil der Schuld am Scheitern des Erfurter Experiments. Es war und ist seine zum Teil radikale Rhetorik, sein verbaler Rigorismus und seine Grenzüberschreitungen, die es den Vertretern von CDU und FDP schwer machen, zu begründen, warum es legitim sein soll, für eine bürgerliche Wende auf die Unterstützung der AfD zu setzen. Man kann eben nicht aus machttaktischen Gründen über Nacht sein Image vom radikalen Oppositionellen und ‚Enfant terrible‘ der deutschen Politik zum staatspolitisch Verantwortlichen hin ändern, ohne Fragen nach der eigenen Glaubwürdigkeit und den eigenen Absichten aufzuwerfen. Der angerichtete strategische Kollateralschaden für die AfD ist nicht unerheblich: Die Grünen können sich als Vertreter des Bürgertums aufspielen, die Linkspartei wird hoffähig, selbst wenn sie in Teilen vom Verfassungsschutz überwacht wird. CDU, CSU und FDP glauben von der AfD Abstand nehmen zu müssen und merken augenscheinlich nicht, dass sie sich weiter marginalisieren. Nach all dem ist kaum vorstellbar, dass es in den nächsten Jahren irgendwo einen neuen Versuch geben wird, eine bürgerliche Wende herbeizuführen. Daran werden paradoxerweise weniger die Landesverbände im Westen leiden. Dort steht Regierungsverantwortung für die AfD in den nächsten Jahren nirgendwo ernsthaft zur Debatte. Leidtragende sind vielmehr die Landesverbände Mecklenburg-Vorpommern und vor allem Sachsen-Anhalt, wo Mehrheitsverhältnisse nach dem Landtagswahlen 2021 entstehen könnten, die eine bürgerliche Wende erlauben würden.

PP: Trotz Ihrer klaren Kritik auch an Andreas Kalbitz arbeiten Sie intensiv mit der Fraktion in Brandenburg zusammen, für Berlin und Brandenburg ja naheliegend, und treffen sich regelmäßig als Fraktionen. Wie gehen Sie mit Meinungsunterschieden mit Herrn Kalbitz um? Aus der Partei wird Kritik laut, dass in Brandenburg viele Positionen vornehmlich nur noch von Flüglern besetzt werden. Das geht so weit, dass wichtige und fähige Leute wie der Staatsanwalt Roman Reusch womöglich kaum Chancen auf ein Bundestagsmandat mehr haben. Wie sehen Sie diese Entwicklung – und wie kann es zu einem fairen Ausgleich der Gruppen in Brandenburg kommen?

Georg Pazderski: Es ist hinlänglich bekannt, dass Andreas Kalbitz und ich nicht in allen Fragen einer Meinung sind. Das müssen wir nicht verstecken. Ungeachtet dessen wollen wir in der Sache zum Wohle der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg professionell zusammenarbeiten. Das ist der Anspruch an uns selbst und das gebietet der Respekt vor dem Wähler, der der AfD seine Stimme gegeben hat und von uns vertreten werden will. Bei der Besetzung von Kandidatenlisten und Direktkandidaten bin ich zuversichtlich, dass die Partei gute, kompetente und vernünftige Persönlichkeiten wählen wird. Einem Parteitag will und kann ich hier aber nicht vorgreifen.

PP: Zu Talkshows werden oft nur selten AfD-Repräsentanten eingeladen. Wenn Sie selbst in einer Talkshow sitzen, wie vor kurzem in der Phoenix-Runde, haben Sie sich den Ruf erarbeitet, für die politischen Gegner und die Medien sehr unbequem zu sein. Während andere eher soft antworten und nur wenige Kontrapunkte setzen, gehen Sie meist an den entscheidenden Stellen vollmächtig dazwischen, wischen authentisch Verleumdungen gegen die AfD vom Tisch, nennen die Notwendigkeit der AfD sehr deutlich – und trauen sich ohne Scheu, auch Probleme und Meinungsunterschiede innerhalb der AfD anzusprechen und klar Position zu beziehen. Inwiefern kann diese neue Ehrlichkeit innerhalb der AfD richtungsweisend sein für einen kritischen, sachlichen und dennoch fairen Umgang innerhalb der AfD? Welche Ausstrahlung hätte eine offene Diskussion auf die öffentliche Wahrnehmung? Ist es nicht besser, öffentlich geäußerte Aussagen auch innerhalb der Partei ansprechen als eine strikte „Decke des Schweigens“ um einer Parteieinheit zu verordnen? Wird durch eine solche offene aber faire Diskussion, wie Sie sie auch immer wieder führen für neue Wähler der Mitte attraktiv, die sich genau an diesen Punkten wiederfinden würden?

Georg Pazderski: Leider machen uns es die Mainstream-Medien hier oft sehr schwer und verzerren das wirkliche Gesicht zu einer radikalen Fratze. Das muss man offen so ansprechen: Wenn die AfD Regierungsverantwortung übernehmen und breitere Unterstützung in bürgerlichen Kreisen finden will, dann muss sie sich noch klarer als bisher vom rechten Rand distanzieren. In Deutschland gibt es keinen Spielraum für Sympathien mit Rechtsextremen, Antisemiten, Israelhassern, Rassisten, Verschwörungstheoretikern, Hitler-Verehrern, Leuten, die völkisch denken, und Verwirrten, die zu Gewalt und Terror bereit sind. Eine klare Abgrenzung vom rechten Rand wird diejenigen, denen jedes Mittel Recht ist, die AfD der Mittäterschaft an tragischen Vorfällen zu bezichtigen, nicht davon abhalten, ihre Verleumdungskampagnen fortzusetzen. Aber eine solche Abgrenzung macht es der AfD einfacher, ihren Standpunkt in der Öffentlichkeit zu vertreten und diejenigen anzusprechen, die nicht von vornherein die AfD ablehnen. Insbesondere der Flügel und seine Protagonisten sind dazu aufgerufen, diese klare Abgrenzung vom rechten Rand vorzunehmen.

PP: Herr Pazderski, vielen Dank für das Gespräch!

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