Sonntag, 22. Dezember 2024

„Meine Vorgesetzten zwingen mich, das Parlament zu belügen“

(Stefan Schubert) In Berlin und Düsseldorf setzte die Politik zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein, um die Hintergründe und „Sicherheits-Pannen“ zum Amri-Komplex zu ermitteln – so lautet jedenfalls die offizielle Version für die Bevölkerung.

Dementsprechend wurden in den vergangenen Wochen und Monaten mehrere Terrorermittler vor die Untersuchungsausschüsse des Düsseldorfer Landtages und des Deutschen Bundestages geladen, um dort durch Abgeordnete befragt zu werden. Tatsächlich, so bezeugten involvierte Terrorermittler gegenüber dem Autor im gerade erschienenen Enthüllungsbuch „Anis Amri und die Bundesregierung: Was Insider über den Terroranschlag vom Breitscheidplatz wissen“ seien diese Ausschüsse nur ein „vorgeschobenes Kasperletheater“, denn in Wahrheit hätten die Behördenleitungen sie angewiesen zu lügen.

In der Öffentlichkeit treten die eigentlichen Verantwortlichen für die 12 Toten und 70 Verletzten vom Breitscheidplatz als große Aufklärer auf – vorneweg die Regierungschefin Angela Merkel (CDU), und das, obwohl in ihrem Kanzleramt, angeführt vom damaligen Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), alle Fäden des Amri-CIA-Skandals zusammenlaufen. Denn in den Abteilungen 1 – Innen- und Rechtspolitik – und 6 – Bundesnachrichtendienst, Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes – laufen alle Sicherheitsstränge dieses Landes zusammen, werden von hier aus kontrolliert und nach politischen Vorgaben umgesetzt.

Das Kanzleramt selbst verfügt über 600 Bedienstete und einem Haushaltsvolumen von knapp 3 Milliarden Euro, denn Angela Merkel hat ihren Etat um 500 Millionen Euro aufstocken lassen, 2016 betrug dieser noch 2,41 Milliarden Euro.

Die bisherigen Behauptungen der Bundesregierung, dass der BND und das BfV im Amri-Komplex keine eigene operative Rolle gespielt hätten, werden in diesem Buch mehrfach als Lüge entlarvt. Einer offiziellen Stellungnahme zu dieser aufgeflogenen Geheimdienst-Lüge, geschweige denn einem Eingeständnis, hat sich die Merkel-Administration jedoch bis heute verweigert. Und auch bei den Hauptstadtjournalisten ist wenig Engagement zu erkennen, diese Lügen und ihre Motive dahinter aufzuklären und die Bürger des Landes über die wahren Hintergründe im Fall Amri zu informieren.

Durch die Recherchen zu diesem Buch sowie Gesprächen mit beteiligten Terrorermittlern wird immer deutlicher, dass bei der CIA-Geheimoperation zur Abschöpfung von Anis Amris IS-Hintermännern und IS-Netzwerken von Anfang an auch der BND sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beteiligt waren, und deutsche Geheimdienste zeitgleich auch entsprechende eigene Maßnahmen durchführten. Wie wir wissen, verfügte Amri in der Berliner Dienststelle des deutschen Inlandsgeheimdienstes BfV sogar über eine eigene Sachbearbeiterin, Agentin F., die in der Anti-Terrorabteilung des Geheimdienstes saß (siehe Kapitel 4, S. 87), und der BfV-Chef Hans-Georg Maaßen wurde überführt, ein im Januar 2016 erstelltes „Behördenzeugnis“ über Anis Amri persönlich unterzeichnet zu haben. Doch diesen öffentlich gewordenen Erkenntnissen zum Trotz bleibt die Bundesregierung dabei, dass deutsche Geheimdienste keine eigenen operativen Aktionen gegen den IS-„Lockvogel“ Anis Amri durchgeführt hätten.

Wegen der laufenden Abschöpfungsaktion wurde Anis Amri weder wegen seiner zahlreichen Straftaten (Drogenhandel, 14-facher Asylbetrug, Körperverletzung), noch wegen seiner konkreten Terrorvorbereitungen oder seiner IS-Mitgliedschaft angeklagt, festgenommen oder abgeschoben, sondern vorsätzlich durch die Politik auf freiem Fuß belassen.

Die deutsche Medienlandschaft stellt jedoch auch in dieser skandalösen Angelegenheit wieder einmal ihre große Regierungskonformität unter Beweis. Denn anstatt flächendeckend über die Lügen zu berichten, derer, wie die Faktenauswertung des Autors zeigt, die Bundesregierung im Amri-Komplex mehrfach überführt worden ist, verbreitete sie millionenhaft Textbausteine aus dem Kanzleramtsstatement nach dem Terroranschlag, fast jede Zeitung des Landes druckte sie ab. In diesem „Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zum ‚mutmaßlichen‘ Anschlag am Breitscheidplatz“ heißt es:

Noch wissen wir vieles über diese Tat nicht mit der nötigen Gewissheit. Aber wir müssen nach jetzigem Stand von einem terroristischen Anschlag ausgehen. Ich weiß, dass es für uns alle besonders schwer zu ertragen wäre, wenn sich bestätigen würde, dass ein Mensch diese Tat begangen hat, der in Deutschland um Schutz und Asyl gebeten hat. Dies wäre besonders widerwärtig gegenüber den vielen, vielen Deutschen, die tagtäglich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind, und gegenüber den vielen Menschen, die unseren Schutz tatsächlich brauchen und die sich um Integration in unser Land bemühen.

Während auf den Intensivstationen Berlins Anschlagsopfer um ihr Leben kämpfen, notoperiert und von Maschinen am Leben gehalten werden, und Angehörige den gewaltsamen Tod von 12 Menschen betrauern, hat die Bundeskanzlerin keine anderen Sorgen, als starrsinnig ihre Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen zu verteidigen. Auch das Wort „islamistisch“ fällt in Bezug auf die Anschlagmotive in diesem Regierungsstatement nirgendwo. Und das Versprechen, welches sie den Angehörigen der Opfer und der geschockten Nation gibt, lässt einen angesichts der inzwischen bekannt gewordenen Hintergründe und der direkten Verstrickungen des Kanzleramtes nichts anderes als fassungslos zurück. Merkel verspricht den 82 Millionen Bürgern dieses Landes: „… diese unselige Tat aufzuklären. Sie wird aufgeklärt werden – in jedem Detail.“

„Der Druck ist noch größer als unter den Roten“

Diese Hintergründe sind mittlerweile auch den beteiligten Terrorermittlern bekannt, und in vielen Dienststellen brodelt es. Polizisten sind entsetzt darüber, wie ihre Arbeit auf Anordnung führender Politiker von vorgesetzten Dienststellen sabotiert wurde und sie überdies auch noch öffentlich als inkompetent und überfordert dargestellt wurden. Doch jetzt geraten die verantwortlichen Politiker unter Zugzwang, denn genau diese Terrorermittler werden nun der Reihe nach vor die Untersuchungsausschüsse geladen, und ihr Wissen birgt die Gefahr, den größten politischen Skandal der vergangenen 70 Jahre zu enthüllen. Und genau das müsste auch passieren, wenn Deutschland eine funktionierende Demokratie wäre und nicht durch Altparteien wie CDU/CSU und SPD in allen Bereichen geknebelt würde.

Enthüllungsuch mit Sprengkraft aus dem Rottenburger KOPP Verlag.

Anfangs hofften die Terrorermittler in NRW, dass mit der Abwahl von Rot-Grün im Jahre 2017 endlich „die ganzen Schweinereien von Jäger ans Tageslicht kämen“, wie ein hochrangiger Polizist erzählte, denn, wie im Buch beschrieben ist der ehemalige NRW-Innenminister Ralf Jäger von der SPD tief in den Amri-Skandal verstrickt. Selbst wenn vor der Amtsübergabe kartonweise Akten geschreddert wurden, wovon die Ermittler ausgehen, wussten und wissen eine Vielzahl von Beamten beim LKA Düsseldorf und dem dortigen Innenministerium über die Verstrickungen der CIA mit den deutschen Geheimdiensten im Amri-Komplex Bescheid. In den beteiligten Dienststellen hoffte man darauf, dass aufgrund der „politischen Konkurrenz“ zwischen CDU und SPD die Machenschaften des SPD-Mannes Jäger nun von der Laschet-Regierung nicht weiter gedeckt werden würden. Doch da hatten sich die Terrorermittler getäuscht, wie sie dem Autor bei einem der zahlreichen Recherchegespräche zum Buch „Anis Amri und die Bundesregierung“ verbittert mitteilten: „Jetzt ist der Druck noch größer als unter den Roten.“

Denn obwohl sich CDU und SPD in NRW einen erbitterten Wahlkampf geliefert haben, sind CDU- wie SPD-Minister in Berlin gemeinsam für die Causa Amri verantwortlich. Und im Zentrum dieser Verantwortlichkeit stehen Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Angela Merkel. Wie rigoros der politische Apparat agiert, wenn es darum geht, seine Kanzlerin, Minister und Behördenleiter zu schützen, sollten die Ermittler am eigenen Leib erfahren; die Briefe mit der sogenannten „Aussagegenehmigung“ wurden ihnen vom Innenministerium NRW, nun von der CDU geführt, über die zuständigen Polizeipräsidien zugestellt.

Und der Inhalt dieser „Aussagegenehmigung“ war unmissverständlich formuliert. Unter anderem stand dort, dass die Terrorermittler „keine Auskünfte über Gefährdereinschätzungen geben dürften.“ Außerdem war es ihnen untersagt, über „polizeiliche Maßnahmen und Vorgehen Auskunft zu erteilen, wodurch Rückschlüsse auf zukünftige polizeiliche Maßnahmen möglich wären.“

Wie die Amri-Ermittler diesen Maulkorb-Erlass empfanden, vertrauten sie dem Autor an:

„Halt die Fresse! Sag gar nichts!“

Tatsächlich schwebt über den Ermittlern wie ein Damoklesschwert der Paragraf 353b des Strafgesetzbuches (StGB): Geheimnisverrat. In dem Paragrafen „Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht“ werden Polizisten mit einer Gefängnisstrafe bedroht, wenn sie die Öffentlichkeit über Skandale und Lügen in ihren Behörden informieren. Die Strafandrohung für eine solch wahrheitsgerechte Aussage von Polizisten liegt bei bis zu fünf Jahren Haft. Wenn ein Terrorermittler dem parlamentarischen Ausschuss über den Fall Amri also die Wahrheit berichtet, führt der erteilte Maulkorb in der „Aussagegenehmigung“ zu einer Strafanzeige und Verurteilung bis hin zur Gefängnisstrafe und gleichzeitig der Eröffnung eines Disziplinarverfahrens – mit dem Ziel der Entlassung und der Aberkennung bisher erworbener Pensionsansprüche.

Dass angesichts solcher Konsequenzen niemand der Betroffenen auszupacken wagt, ist verständlich. Umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle für den Mut jener Terrorermittler bedanken, die mir ihr Wissen dennoch mitgeteilt haben, um so zu helfen, dass Lügenkonstrukt der Regierungspolitiker zum Einsturz zu bringen. Jeder von ihnen nimmt ein erhebliches persönliches Risiko in Kauf.

Untersuchungsausschüsse reine Farce

Angesichts dieser Umstände geben sich Terrorermittler keinerlei Illusionen mehr hin. „Die Bestrebungen sind eindeutig, die gesamten Hintergünde sollen vertuscht werden“, so ein Ermittler gegenüber dem Autor. Ein weiterer Terrorermittler bezeichnete die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse als „ein vorgeschobenes Kasperletheater“, ein „Ablenkungsmanöver der Regierung“, um die Bevölkerung einzulullen und von den Machenschaften der Politik und ihren Behörden abzulenken. Es sei „offensichtlich, dass der gesamte Bereich niemals aufgeklärt werden soll“. Ihre Wut über dieses unwürdige und skandalöse „Schauspiel für die Öffentlichkeit“ ist einer der Gründe, aus denen die Ermittler dem Autor Informationen über die Hintergründe des Amri-Skandals lieferten.

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PP-Redaktion
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