(Michael van Laack) Hat Jens Kestner Protokolle für Aufnahmegespräche gefälscht, um seinen bevorzugten Kandidaten Mehrheiten für den morgigen Aufstellungsparteitag zu verschaffen? Ein ungeheuerlicher Vorwurf? Nein, eine Möglichkeit, die mit großer Wahrscheinlichkeit Wirklichkeit ist. – Allerdings erscheinen morgen Tino Chrupalla und der gesundheitlich angeschlagene Alexander Gauland in Niedersachsen und werden den Mitgliedern gewiss versichern, dass ihr Freund Kestner eine weiße Weste hat, die Meuthens Freunde besudeln wollen.
Wir erinnern uns alle noch gut an die strategische Meisterleistung von Jens Kestner und jenen Kampferprobten, die gemeinsam mit ihm der AfD Niedersachsen Flügel verleihen wollten. Zweifellos lief auf dem Parteitag im September alles nach demokratischen Spielregeln. Im Vorfeld allerdings hatte sich mancher als Meister der Intrige gezeigt. Auch das ist freilich im politischen Betrieb (leider) nicht unüblich. Am D-Day gelang Jens Kestner dann der gewünschte Coup, den man auch einen kalten Putsch nennen könnte.
Dana Guth und die Ihren verloren ihre Ämter. Und schon am Tag danach wurde klar: Jens Kestner war bereit, die AfD seines Landesverbandes stramm zu organisieren. Diskussion und Diskurs? Das machen nur Weicheier. Meine Mannen und ich geben vor und ihr folgt! Manch einer tat es nicht und trat aus.
Hinter den Kulissen begann es zu grummeln
Vorrangiges Ziel des Landesvorsitzenden: Viele neue Mitglieder müssen her. Und das möglichst schnell! Denn der Aufstellungsparteitag für die Kandidaten zur Bundestagswahl 2021 rückte näher. Dort gilt es für Kestner und seine Mannen selbstverständlich, ihre Wunschkandidaten durchzusetzen, um ihre instabile Machtbasis im Landesverband zu festigen. Dieses Ziel allerdings könnten die „Feinde der wahren AfD“ – also des real immer noch existierenden Flügels – durchkreuzen. Denn an der Basis stehen nicht so viele Mitglieder dem Flügel wohlgesonnen gegenüber, wie noch auf dem Landesparteitag.
Deshalb präsentierte Jens Kestner vor einigen Wochen über 20 von ihm und u.a. Mike Schmitz persönliche neu aufgenommene Mitglieder. Entsprechende Protokolle von Aufnahme-Gesprächen wurden vorgelegt. Die Gespräche hätten teils nur fünf bis zehn Minuten gedauert, was ungewöhnlich kurz ist. Aber wenn man die richtigen Fragen stellt, reicht das selbstverständlich. Man muss ja nicht vor der Aufnahme eines Mitglieds dessen ganze Vita kennen. Wichtig sind vor allem Fragen, die auf Unvereinbarkeiten zielen.
Kestners Freude währte nicht lange
Freudestrahlend präsentierte der Landesvorstand dem Bundesvorstand die Aufnahme-Anträge vor… und wurde abschlägig beschieden. Denn der Landesvorstand ist nicht berechtigt, Aufnahmegespräche zu führen. Das ist Aufgabe des jeweiligen Kreisvorstands, in dem der die Aufnahme Beantragende seine Wohnadresse hat. Deshalb blockierte der Bundesvorstand die Aufnahme dieser Kandidaten. Kestner schäumte vor Wut, witterte eine Intrige gegen die „wahre AfD“, konnte aber nichts erreichen. So weit so gut!
Waren alle Gesprächsprotokolle gefälscht?
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Und wenn er auch die Wahrheit spricht.“ Ähnliches gilt für an Kreisvorständen vorbeigeschobenen Protokollen von Aufnahmegesprächen. Wenn eines der behaupteten Gespräche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hat, darf davon ausgegangen werden, dass viele Gespräche nicht stattgefunden haben.
Der Redaktion liegen Screenshots einer Person vor, deren Name sich auf Kestners Anwerbungsliste befindet. Sie versichert auf mehrfache Nachfrage, es habe kein Gespräch stattgefunden. Mittlerweile hat diese Person auch nicht mehr die Absicht der Partei beizutreten. Über die Motivation für diesen Sinneswandel können wir nur spekulieren. Das aber ist auf einem faktenbasierten Blog unüblich, weshalb wir hier die Aussagen für sich sprechen lassen. Der Name des Antragsstellers wurde geschwärzt.
„Natürlich bin ich mir da sicher. Oder denkste, habe ich schon vergessen? Nein – Sicher!“ So lautet der Text des kurzen Audios, das im Bild zu sehen ist. Zum Schutz des Antragsstellers und des mit ihm Kommunizierenden veröffentlichen wir die Datei selbstverständlich nicht.
Wie auch immer: Es gibt mehr als nur erhebliche Zweifel, dass der kalt auf den Vorstandsvorsitz geputschte Jens Kestner – aus welchen Gründen auch immer – ein falsches Spiel spielt. Und so gehört wohl auch er zu den Leuten, die der Partei erheblichen Schaden zufügen, weil es ihnen eben nicht um unser Vaterland geht, nicht um die Partei, sondern nur um die eigenen kleinen Interessen!
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