Samstag, 20. April 2024

Ein verstörendes Video zur Hygiendemo in Bern

Performance, Provokation oder Zukunftsbild? Ein Gastbeitrag von Dr. Wulf D. Wagner

Das Video ist bedrückend, gruselig, es frisst sich ein. Zwei Reihen, je sechs in weiße Ganzkörperanzüge verpackte Wesen mit weißen Gesichtsmasken aus Plastik, die nur dunkle Schlitze für Mund, Nase und Augen freilassen. Sie stapfen im schwankenden Gleichschritt durch einen Bogengang, über einen Platz. Sie bleiben stehen, heben und drehen den Kopf, senken ihn. Weitergang.

Aus einem kleinen Lautsprecher dringen abgehackt die Sätze einer friedlichen doch kalten Stimme, alles unterlegt mit schwerem Atem, Schall, verstärktem Ton monotoner Schritte:

Desinfektionsschleusen in öffentlichen Einrichtungen. Alleine sterben lassen ist Nächstenliebe. Wahre Freiheit findet in der Isolation statt. Selberdenken gefährdet das Allgemeinwohl. Impfung ist Nächstenliebe. Nähe vermeiden für immer. Opfert alles der Hygiene! Trennt Euch von den Gefährdern! Schützt die Ungeborenen, verzichtet auf ihre Zeugung. Verratet Eure Nachbarschaft! Regelbrecher an die Wand, Gefährder in die Einzelhaft.“

Stopp. Kopf hoch, Kopf runter. Weiterwanken.

„Maskenpflicht ein Leben lang. Impfgegner entrechten. Fügt Euch der Normalität! Maskenleugner ächten. Das ist Solidarität. Kontaminierung vermeiden. Absolute Keimfreiheit. Körperkontakt schafft Leiden, sicher ist nur die Einsamkeit. Maskenpflicht für Neugeborene. Unser Atem tötet. Sicher bist Du nur in der Isolation. Sei gehorsam! […]

Wirklich eine überspitzte Performance?

Das Video dieser Performance in Bern vom 31. Oktober 2020 frißt sich mit seinen Bildern, den Tönen, der Stimme ein. Ich weiß nicht, wer die Macher sind. Hätten dieselben eine ähnlich verstörende Aktion für ein politisch-medial angesehenes Thema inszeniert, etwa für unseren morgigen Tod durch die Klimakatastrophe oder im Mittelmeer Ertrunkene aus Afrika, so wären sie schon gehypt worden. So aber, mit diesem – Ich füge mich brav der Sprachforderung! – unverantwortlichen Auftritt gegen unsere so vernünftigen und unserer Gesundheit so fürsorglich zugewandten Regierenden, wird das nichts mit weiter Verbreitung – grad über 2.000 Aufrufe am 10. November – und sollte es doch häufiger angeklickt werden, so kann Youtube glücklicherweise zur Löschung schreiten. So zumindest wird es wohl immer noch ein Großteil der verschreckten Menschen um uns sehen.

Das Video frisst sich ein, nicht etwa weil – Erneut wähle ich selbstverständlich die korrekten Adjektive! – diese verschwörungstheoretischen, undifferenzierten, aufhetzenden Sätzen dem verantwortungslosen Hirn unsolidarischer, egoistisch-boshafter, Corona-leugnender Künstler entspringen, nein – Und damit verlasse ich die geforderte Korrektheit! –, es bedrückt, weil es zugespitzt genau das darstellt, was wir nun alle seit dem Frühjahr erleben und was wir von den Regierenden und ihren Medien mit immer drohenderen Worten und Verordnungen und Gesetzesvorhaben zu hören und auch zu fühlen bekommen. Jeder von uns, ob pro oder gegen die Zwangsmaßnahmen, ob er sich daran hält oder nicht. Wir sitzen alle im selben schwankenden Boot.

Keiner der Performance-Sätze ist uns allen mittlerweile unbekannt, sei es durch eine Kanzlerin, die dazu aufruft, wir mögen selbst freundschaftliche Kontakte vermeiden, oder etwa durch jenen anderen sich unserer Gesundheit gegenüber tief verantwortlich fühlenden Politiker, der die Maske zum „Instrument der Freiheit“ erhebt. Selbst den Aufruf, man möge (in der westlichen Welt) auf Kinder verzichten – sei es „für das Klima“ oder auch um Platz für Migranten zu schaffen –, konnte man schon hören, und so sahen wir im Sommer nicht nur in Berlin Plakate des öffentlich-rechtlichen Senders ARTE mit der provozierenden Frage zu kleinen Kindern: „Zukunft oder Klimakiller?“ – selbstverständlich mit dem Bild einer weißen Frau und Kindern. Und die Meinung, auf Demonstranten müsse geschossen werden, hörte man von dem linken Journalisten und Politiker Antonello De Pierro nach Ausschreitungen wegen der neuen Corona-Restriktionen in Neapel; er versuchte zwar sich herauszureden, aber getwittert ist getwittert, und wir wissen zu deutlich, dass aus „gesagt“ in Zukunft durchaus eine „Tat“ werden kann.

Von der Performance zur Wirklichkeit?

Vor allem aber dringen mehr als Worte Bilder ins Denken ein. Das weiß jeder, der sich mit Medien, Werbung und Propaganda befasst. Und die staatlichen wie privaten Fernsehsender nutzen dies mit all ihrer Macht aus – zumindest hier in Italien, aber ich höre, in der Bundesrepublik soll es nicht anders sein. Von Anfang März bis Mitte Juli war und seit Mitte Oktober bin ich in Palermo. Hier hat mir meine Vermieterin einen Fernseher ins Zimmer gestellt – nicht schlecht zum Sprache lernen. Und seit diesem Frühjahr sind es genau diese Bilder, wie sie die Berner Aktion vermeintlich übertrieben zeigt, die in allen Nachrichten und Kurznachrichten bei Werbepausen Tag für Tag, fast Stunde für Stunde den Menschen aufgedrängt und eingeprägt werden: Große, fensterlose Krankenhaussäle mit vielen Betten mit Kabeln und Schläuchen, neonbeleuchtete Krankenhausflure, in denen irgendwelche Patienten auf Liegen herumgeschoben werden, und immerzu jene in ihren „Astronautenanzügen“ herumfuchtelnden Ärzte und Krankenpfleger, alles vermengt mit irgendwelchen Zahlen.

Tatsächlich sind es nicht nur mediale Bilder. Vor ein paar Tagen sah ich sie mit eigenen Augen, hier in der Via del Pappagallo: Ein Ambulanzwagen versperrte die enge Gasse und zwei dieser Science-Fiction-Wesen stiegen aus. Gab es dafür einen Grund? Ich ging nicht hin und frug, ob ein Corona-Fall vorlag.

Und da jeder weiß, wie gesichtslose Menschen verunsichernd auf den anderen wirken, so müssen auch die Masken ins Bild, ständig, damit wir uns an die „neue Normalität“ gewöhnen. Wir alle sollen mit unserer Maske Wesen ohne Mimik sein, wie jene in Bern, überall, in jeder einsamen Gasse, selbst wenn wir bei Sonne den Monte Pellegrino hochwandern oder am Meer spazieren gehen. Nur so zeigen wir dem vielleicht zweifelnden Nächsten, dass auch er sich zu fügen hat, denn nur unser Bravsein wird uns – auch das verkünden Politiker und Medien – vielleicht irgendwann einmal Gesundheit und Freiheit wiedergeben. Gehorcht!

Die Bilder werden ohne sie zu hinterfragen geglaubt

 Das alles hat nichts mehr mit unserem Europa, das auf Vernunft, Wissenschaft, freiem Denken gegründet sein sollte, zu tun. Doch machen wir uns nichts vor! Auch wenn Menschlichkeit und Freiheit – das hat dieses Jahr nochmals eindringlich gezeigt –  nicht bei denen zu finden ist, die, indem sie von Menschlichkeit quasseln, zum Denunzieren, zur Isolierung, zur Hetze gegen jeden Andersdenkenden aufrufen, die fordern, unser Lächeln hinter Masken zu verbergen, die Angst und Panik auch da verbreiten, wo es unnötig ist, die keine anderen wissenschaftlichen Meinungen mehr dulden, so wirken ihre Worte und Bilder doch.

Von überall her hört man Beispiele, von Familien, die sich auf Abstand oder gar nicht treffen, von Müttern, die ihre Kinder kreischend zurückrufen, wenn sie anderen zu nahe kommen, von jenen, die einen geradezu wie einen Kriminelle betrachten, weil man keine Maske trägt auf leerer Straße oder weil man an einer Demonstration gegen die Restriktionen teilnahm. Auch die Kommentare unter dem Bericht in der Berner Zeitung zur unbewilligten Demonstration sprechen da für sich. Und selbst von gebildeten und sich bisher aufgeklärt gebenden Menschen höre ich, dass sie ihr Haus möglichst nicht verlassen und da sitzen und warten, warten auf die Impfung, die sie nicht „hinterfragt“ wissen wollen, denn dann würden sie ja ein Impfgegner sein. Auf so ein primitives Niveau werden komplexe Themen bereits heruntergebrochen.

Freiheit steht niemals auf der Seite von Angst- und Panikmache

So wächst Panik und Angst bei denen, die an Corona als uns alle befallende tödliche Pandemie glauben, und bei denen, die die drastische Veränderung unserer europäischen Gesellschaft, die Einschränkung unserer Rechte, die Zerstörung unserer wirtschaftlichen Lebensgrundlagen und Lebensentwürfe für die größere Gefahr halten.

Doch obgleich ich zu Letzteren gehöre, und so sehr ich diese Berner Performance verstehe, ja gut heiße und mir wünschte, dass die Künstler vor allem in mancher westdeutschen Stadt auftreten würden, so sehr bin ich doch der Ansicht, dass es unsere Aufgabe ist, zu versuchen, uns selbst und unsere Umgebung frei zu halten von unverantwortlicher Panikmache, die durchaus auch durch solch ein aufwühlendes Video erzeugt werden kann.

Mit „uns“ meine ich die freien alternativen Medien, die (noch erlaubten) Demonstrationen, ja alle noch frei und selbstständig denkenden Menschen. Wir dürfen der Hetze, dem Verbietenwollen, den Unwahrheiten, wie sie von Politik und „Qualitätspresse“ nun auch wieder nach der beeindruckenden Demonstration in Leipzig geäußert werden, nicht folgen, aber wir dürfen zum Beispiel auch selbst nicht übereilt auf Whatsapp ungeprüft rumsenden, was irgendwo zu finden ist.

Tatsächlich wird die Aktion aus Bern bereits mit einem anderen Video mit über 34.000 Klicks als Dresdner Aktion verbreitet; die Gebäude im Hintergrund konnte ich eindeutig als den Bundesplatz in Bern identifizieren. So etwas darf auf unserer Seite nicht passieren! Zur Freiheit gehört selbstständiges Denken, verantwortungsvolles Handeln und Prüfen auch beim Posten. Freiheit steht niemals auf der Seite derer, die Angst und Panik verbreiten.

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