Donnerstag, 28. März 2024

Nürnberger Christkind dieses Jahr ohne Arier-Nachweis

Ein Zeitgenosse hat daran Anstoß genommen, dass für die nächsten zwei Jahre das Nürnberger Christkind von einer 17-jährigen Gymnasiastin dargestellt wird, die in seinen Augen den Makel hat, dass ihr Vater kein sogenannter Biodeutscher ist, sondern aus Indien stammt. Ein Gastbeitrag von Rainer Thesen

Es muß wohl Menschen geben, bei denen an der Stelle, wo sich bei allen anderen Menschen das Gehirn befindet, die letzten Windungen des Dickdarms ihre Arbeit tun und die dabei entstehenden Gase statt durch das Rektum durch den Mund austreten. Zumindest dann, wenn sie glauben, sich politisch zu äußern.

Von solchem Schlage muß der Zeitgenosse sein, der nach der Wahl des Nürnberger Christkinds seine zerebralen Flatulenzen über das Internet verbreitet hat. Dieser Gestank verursacht wohl bei den allermeisten, um deren Nase er streicht, Übelkeit. Bei mir auch.

Ein Christkind mit Migrationshintergrund

Dieser Zeitgenosse hat daran Anstoß genommen, daß für die nächsten zwei Jahre das Nürnberger Christkind von einer 17-jährigen Gymnasiastin dargestellt wird, die in seinen Augen den Makel hat, daß ihr Vater kein sogenannter Biodeutscher ist, sondern aus Indien stammt.

Alleine schon der Umstand, daß sich dieser Vollpfosten an dieser Herkunft eines Elternteils der Schülerin mit dem schönen Vornamen Benigna, was Latein ist und zu Deutsch „die Gütige“ bedeutet, so stößt, daß er meint, an seinen gedanklichen Blähungen müsse auch die Öffentlichkeit teilhaben, zeigt mit hinreichender Klarheit, was für ein Mensch da die Tastatur seines PC gequält hat.

Wer oder was ist das Nürnberger Christkind eigentlich?

Der Nürnberger Christkindlesmarkt dürfte der bekannteste seiner Art in Deutschland sein. Gewissermaßen sein Markenzeichen ist die Eröffnung des Marktes durch die Figur des Nürnberger Christkindes im Engelskostüm mit goldenem Lockenhaar, begleitet von zwei ebenfalls lebendigen Rauschgoldengeln. Dieses Christkind wird alle zwei Jahre aus einer Anzahl von Bewerberinnen gewählt, die im Alter zwischen 16 und 20 Jahren sind und in Nürnberg die Schule besuchen.

Seine Aufgaben in der Vorweihnachtszeit bestehen darin, eben diesen in Nürnberg Christkindlesmarkt genannten Weihnachtsmarkt mit einem traditionellen Prolog zu eröffnen, und dann in der Adventszeit Kindergärten, Altenheime, Schulen, Betriebsfeste und dergleichen zu besuchen und damit ein wenig vorweihnachtlichen Glanz zu verbreiten. Der Christkindlesmarkt selbst ist eine im Laufe der Jahrhunderte gewachsene Veranstaltung. Die Figur des Christkindes, das den Markt eröffnet, ist pikanterweise von den Nationalsozialisten eingeführt worden, die erstmals im Jahr 1933 eine Schauspielerin das Nürnberger Christkind darstellen ließen. Während des Krieges gab es den Christkindlesmarkt nicht, erst 1948 wurde die  noch junge Tradition wieder aufgenommen.

Wer ist Benigna Munsi?

Nun hat in diesem Jahr die 17-jährige Gymnasiastin Benigna Munsi die Jury überzeugt. Die junge Dame punktete ersichtlich mit ihrem frischen und offenen Wesen ebenso wie ihrer Musikalität – sie spielt Oboe. Darüber hinaus ist sie Ministrantin und singt im Kirchenchor ihrer Heimatgemeinde. Kurz, sie bringt eigentlich alles mit, was man sich von der Schülerin wünscht, die das Nürnberger Christkind darstellen soll. Daß ihr Vater aus Indien stammt, hat man in Nürnberg allenfalls beiläufig zur Kenntnis genommen.

Wenn das Casting an der Basis nicht funktioniert

Offenbar völlig anders hat das ein Zeitgenosse aus München gesehen, den seine Partei offenbar ohne die erforderliche Vorprüfung seiner Person, seines Charakters, seiner Intelligenz und seines Allgemeinwissens mit der Betreuung einer Facebook Seite beauftragt hat.

Vielleicht hat sich auch nur kein anderer gefunden, vielleicht war seine Beauftragung auch das Ergebnis einer Entscheidungsfindung mit viel Bier und Schnaps. Jedenfalls findet dieser Mensch, daß die Darstellerin des Nürnberger Christkindes wohl ausschließlich deutsches Blut in ihren Adern haben darf. Ob er Julius Streicher zu seinen Vorfahren zählt, wissen wir nicht.

Nachhilfe für bildungsferne völkische Beobachter

Nun muß man bei so viel Bildungsferne erst einmal Nachhilfeunterricht erteilen. Der Vater der Schülerin ist in der Tat Inder. Offenbar aber auch katholisch. Wer selbst einer christlichen Konfession angehört, aber auch wer nur mittelmäßiges Wissen über die Geschichte des Christentums hat, dem sind die sogenannten Thomas-Christen in Indien ein Begriff. Der Apostel Thomas soll ja im Jahre 40 n.Chr. nach Osten aufgebrochen und schließlich in Indien angekommen sein, wo er erfolgreich missioniert haben muß, denn es gibt seither eine urchristliche Gemeinde dort.

Und was den Arier-Nachweis angeht, den die geistigen Vorläufer jenes Vollpfostens zu verlangen pflegten: die Inder sind Arier. Zur menschlichen Niedertracht kommt hier also auch ein bestürzendes Maß von Bildungsferne. In diesem Ausmaß sollte es eigentlich bei Leuten, die hier aufgewachsen und in die Schule gegangen sind, nicht vorkommen. Leider ist es jedenfalls in diesem Falle anders.

Das Christentum kennt nur Menschen

Daß mit der Figur des Christkindes, immerhin nach christlichem Glauben der Sohn Gottes, den er zur Erlösung der Menschheit in die Welt gesandt hat, die Universalität des Menschengeschlechts verbunden ist, kommt sehr schön im letzten Satz des Prologs zum Ausdruck, den das Christkind alljährlich von der Empore der Nürnberger Frauenkirche spricht:

„Das Christkind lädt zu seinem Markte ein, und wer da kommt, der soll willkommen sein.“

Verallgemeinerungen sind immer falsch, manchmal auch bösartig

Der Vorgang hat natürlich eine weitere ärgerliche Seite. Der Vollpfosten, von dem hier die Rede ist, betreut eine Facebook Seite eines Kreisverbandes der AfD. Wie nicht anders zu erwarten, stürzt sich nun die gesamte politisch-mediale Klasse auf ihren verhassten Feind und meint uns weismachen zu können, hier offenbare sich der wahre Geist dieser Partei.

Ich halte die übergroße Mehrheit meiner Landsleute für wesentlich klüger und nachdenklicher, als diese medialen Scharfmacher glauben. Wer allerdings die Leute glauben machen will, ein solcher Vollidiot sei der Prototyp seiner Partei, der ist charakterlich von ihm nicht weit entfernt.

Der Beitrag erschien zuerst bei SAPERE AUDE

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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