Dienstag, 16. April 2024

„Ein Tisch ist ein Tisch“

Warum wir in Deutschland keine Lügenpresse haben. Ein Gastbeitrag von Josef Hueber

„Ein Tisch ist ein Tisch“ – so betitelte der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel (*1935) eine seiner vielen tiefsinnigen Erzählungen, die einer scheinbar selbstverständlichen Wirklichkeitserfassung das Vertraute nehmen und ins Absurde entrücken.

Ein alter, einsamer Mann verfällt aus Langeweile auf den kuriosen Gedanken, die Welt seiner Gegenstände umzubenennen und sich so die Zeit mit dem Erwerb seiner von ihm geschaffenen, neuen Sprache zu vertreiben. Täglich wird der neue Wortschatz umfangreicher. Aus dem „Bett“ wird ein „Bild“, aus dem „Stuhl“ ein „Wecker“, aus der Zeitung ein „Bett. Und so weiter. Alles willkürliche Festlegungen. Am Abend, so die Erzählung, geht er müde ins Bild und zum Frühstück setzt er sich auf den Wecker. Nur für den Leser erwartungsgemäß, aber für den alten Mann tragischerweise, muss er nach vielen sprachlichen Neudefinitionen feststellen, dass damit die lebensnotwendige Möglichkeit der Kommunikation für ihn nicht mehr existiert. Die Menschen um ihn werden zunehmend fremd, da sie ihn nicht mehr verstehen. Wenn sie etwas zu ihm sagen, muss er lachen, da er ihre Sprache nicht mehr versteht. Die Komik seiner sprachlichen Erfindungen nimmt ein trauriges Ende. Er spricht am Ende „nur noch mit sich selbst“. Er ist vollständig isoliert.

Bichsels Fiktion ist eine geradezu passgenaue Parabel auf die immerwährende Versuchung, nicht zu ’sagen, was ist‘ (nach Rudolf Augstein). Dies resultiert, gerade im Bereich der öffentlichen Information und Kommentierung, in einer Verfälschung der Wirklichkeit.

Der Verdächtige eines Verbrechens, der einen falschen Aufenthaltsort zur Tatzeit des Mordes angibt, macht davon Gebrauch. Das nennen wir Lüge.

Daneben gibt es jedoch auch die gezielte Irreführung durch Unschärfen der Wirklichkeitswiedergabe, bis hin zur beabsichtigten Ausblendung oder Umdeutung von Wirklichkeit. Das Orwellsche Neusprech oder die während des Stalinismus von unerwünschten Personen retuschierten Bilder stehen dafür. Das nennen wir Propaganda.

Der Begriff „Lügenpresse“ ist – abgesehen von seiner historischen Belastung – ungeeignet, um in der Bundesrepublik die gegenwärtige -cum grano salis- freiwillige Gleichschaltung der großflächig links- und grünlastigen Presse bzw. der öffentlich- rechtlichen Medien in der jetzigen, prekären Situation gesellschaftlicher Bedrohung durch Massenzuwanderung zu beschreiben.

Was uns Lesern oder Zuschauern in den Printmedien oder in den Nachrichten-, Dokumentations- oder Diskussionssendungen geboten wird, sind in aller Regel keine Fake-News. Die präsentierten Bilder, Zahlen und Zitate kommunizieren keine „Lügen“. Da ist noch eine gewisse Strecke zurückzulegen bis zum Karl-Eduard-von-Schnitzler-Journalismus.

Was aber zum Tragen kommt, ist Manipulation der Art, die man als subtilere Form der Massenindoktrination bezeichnen könnte.

Sie besteht zum einen darin, tendenziöses Denken der Redaktion mit den Fakten mittels einhämmernder Attribute ständig zu vermischen und damit eine reine Faktenpräsentation zu suggerieren.

Als noch raffiniertere Form der Indoktrination darf, noch weitergehend, das Ignorieren von Fakten gelten.

Für den ersten Fall denke man hier an die axiomatische Qualifizierung von konservativ ausgerichteten Parteien des In- oder Auslandes als „rechts“, „(rechts)populistisch“ oder „rechtsradikal“ , während man das links-grüne Spektrum der Parteien, selbst wenn sie ihre Wurzeln in der DDR-Diktatur haben, niemals als „linkspopulistisch“, „sozialistisch“ oder „linksradikal“ bezeichnet.

Zwei Beispiele zur Methode der (versuchten) Unterschlagung unliebsamer Fakten.

Als erstes diene die Stellungnahme der vorgeblich unsere Demokratie sichernden ARD zur nicht erfolgten Berichterstattung über die Ermordung eines 15-jährigen Mädchens in der Stadt Kandel durch einen ‚mutmaßlichen‘, 15-jährigen unbegleiteten Flüchtling aus Afghanistan. Auf Anfrage nach dem Grund für diese Unterschlagung des Ereignisses erfolgte folgende Erklärung:

„Warum waren wir so zögerlich? Das hat einen guten Grund. Nach allem, was wir bisher wissen, handelt es sich um eine Beziehungstat. So schrecklich sie gewesen ist, vor allem für die Eltern, Angehörigen und Bekannten – aber tagesschau und tagesschau.de berichten in der Regel nicht über Beziehungstaten. Zumal es hier um Jugendliche geht, die einen besonderen Schutz genießen.“

In einem anderen Fall, der ermordeten Maria Ladenburger in Freiburg, wurde die Nicht-Berichterstattung damit begründet, dass es kein “ gesellschaftlich, national und international relevantes Ereignis“ gewesen sei.

Kann man in beiden Fällen von einer LÜGE sprechen? Gewiss nicht!

Dem kritischen Beobachter kann jedoch nicht entgehen, dass wir es bei diesen Beispielen mit einer sich weitgehend freiwillig gleichschaltenden Mainstream-Medienlandschaft zu tun haben, die, regierungsfreundlich gesinnt, Störfaktoren in Form von hard facts nicht vermitteln will, weil die Wir-schaffen-das-Stimmung nicht ins Gegenteil umschlagen darf.

Karl Kraus (* 1872, † 1936), österreichischer Publizist, scharfer Kritiker der Presse und vermutlich der Schöpfer des Begriffes „Journaille“, legte seine Feder in die Wunde, wenn er überscharf diagnostizierte:

„Die Verzerrung der Realität im Bericht ist der wahrheitsgetreue Bericht über die Realität.“

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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