Freitag, 29. März 2024

„Sie haben schlicht Angst vor einer freien und ehrlichen Debatte über die wahren Probleme unseres Landes!“

Die AfD-Abgeordnete Joana Cotar bezeichnet das NetzDG, das am 1. Januar in Kraft treten soll, als Ungeheuerlichkeit und „Schande für Deutschland“. Ein Gastbeitrag von Thomas Rettig

Die Berliner Blockflötenparteien, allen voran CDU/CSU und SPD, bekamen am Dienstag im Reichstag einmal mehr Nachhilfe in Sachen Demokratie. Joana Cotar, eine aus Rumänien stammende AfD-Abgeordnete, brandmarkte in ihrer ersten Bundestagsrede das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz NetzDG) als „Schande für Deutschland“.

Mit dem Gesetzeswerk sei in den Sozialen Medien wie Facebook und Twitter die Zensur eingeführt worden. Die Regelung war am letzten Sitzungstag vor der Bundestagswahl mehr oder weniger durchgewunken worden.

Kritik am NetzDG, das am 1. Januar 2018 in Kraft treten soll, kam nicht nur von der Alternative für Deutschland, sondern auch von den Linken und von der FDP. Die Linke mahnte Änderungen an, um die Meinungsfreiheit zu gewährleisten – ähnlich wie bei der Verabschiedung des Facebook-Gesetzes. Die FDP hingegen brachte einen eigenen Gesetzentwurf ein, mit dem nicht nur das NetzDG, sondern auch die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft werden soll.

Mit diesem Trick versuchte die FDP-Generalsekretärin zu kaschieren, dass die Magenta-Partei auch einfach dem AfD-Antrag auf Abschaffung des Netzwerkzersetzungsgesetzes hätte zustimmen können. Ihre Kritik brachte Nicola Beer allerdings gekonnt auf den Punkt: „Früher hieß es im Zweifel für die Freiheit, heute heißt es im Zweifel löschen“ (Neue Züricher Zeitung vom 12.12.17: AfD und FDP bekämpfen Facebook-Gesetz). Bei der Verabschiedung des NetzDG hatte sich auch Renate Künast von den Grünen kritisch geäußert („Da gucken auch undemokratische Länder auf uns“). Bei der Abstimmung enthielt sich ihre Partei (Pressemeldung des Deutschen Bundestags).

Joana Cotars Bundestagsrede am 12.12.17 wurde von einzelnen Zwischenrufen aus den Reihen der Altparteien begleitet. Ansonsten stockte den Vertretern des Establishments der Atem, weil sie mit einer so vernichtenden und dennoch voller Ruhe und Souveränität vorgetragenen Kritik nicht gerechnet hatten.

Die studierte Politikwissenschaftlerin und selbständige Projekt- und Event-Managerin war 2013 von der CDU zur AfD gewechselt und war danach bis Juli 2014 Co-Sprecherin des Hessischen Landesverbandes. Sie ist Mitglied des Kreistages Gießen und wurde am 24.09.17 auf Platz 2 der Landesliste in den Bundestag gewählt.

Hier die komplette Rede von Joana Cotar im Wortlaut:

„Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich hätte eigentlich gedacht, die haben dazu gelernt. Auch als Sie am späten Abend des 30.06.2017 über das unsägliche Zensurgesetz, das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz abgestimmt haben, war kaum noch einer von Ihnen in diesem hohen Hause anwesend. Der Bundestag war eigentlich gar nicht mehr beschlussfähig, aber das hat Sie nicht allzu sehr gestört. Mit rund 50 Abgeordneten beschlossen Sie die Abschaffung der Meinungsfreiheit in den sozialen Netzwerken.

Die Betreiber sozialer Netzwerke sind nun verpflichtet innerhalb kürzester Zeit offensichtlich rechtswidrige Beiträge zu löschen. Tun sie das nicht, dann drohen Geldstrafen in Millionenhöhe. Was offensichtlich rechtswidrig ist, wird dabei nicht definiert.

Damit wurde das Strafrecht privatisiert. Jetzt entscheiden nicht mehr Richter darüber, was strafbar ist und was nicht. Nein, privatwirtschaftliche Unternehmen und ihre Mitarbeiter werden zu Richtern über die Meinungsfreiheit.

Die Rechtsprechung wurde ausgerechnet von unserem Justizminister outgesourct! Und eines ist sicher: Aus Angst vor den horrenden Geldstrafen werden die Unternehmen lieber einmal zu viel als einmal zu wenig löschen. Und damit ist das NetzDG nichts anderes als Zensur, und die ist nach Artikel 5 Grundgesetz verboten. Zudem mangelt es für von Sperrungen betroffenen Nutzern an klaren Einspruchsmöglichkeiten. Unzählige User, darunter angesehene Publizisten, werden ohne Angabe von Gründen gelöscht und gesperrt.

Wer sich keinen Anwalt leisten kann, um Einspruch zu erheben, der hat eben Pech gehabt.

Herr Maas und seine Kollegen, die dieses unsägliche Gesetz in Kraft gesetzt haben, behaupten es ginge um Hass und um Hetze. Meine Damen und Herren, seien wir doch einfach mal ehrlich: Mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke im Internet haben sich neben den Zeitungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk weitere Plattformen des Pluralismus und des Meinungsaustausches entwickelt, die zu den traditionellen Medien in Konkurrenz treten.

Doch im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der zu einem Spielplatz der Parteien verkommen ist, und den die Bürger mit rund acht Milliarden im Jahr zwangsfinanzieren müssen, sind die sozialen Netzwerke durch finanzielle und politische Unabhängigkeit gekennzeichnet. Und genau das ist das Problem für Sie!

Es geht nicht um das Aufspüren von Straftätern oder von Straftaten. Nein, Sie Herr Maas, Sie wollen die Diskurshoheit zurückgewinnen, die von den parteikontrollierten Medien in die freien sozialen Netzwerke abgewandert ist!

Sie haben schlicht Angst vor einer freien und ehrlichen Debatte über die wahren Probleme unseres Landes! Sie, Herr Maas, und all die, die dem Gesetz zugestimmt haben, sind nicht in der Lage, echte Meinungsfreiheit zu akzeptieren! Es ist verständlich, das ist unter Linken so üblich. Ein Blick in die Geschichte des Sozialismus beweist das eindrücklich.

Übrigens sind wir von der AfD nicht die einzigen, die der Meinung sind, dass dieses Gesetz eine Schande für Deutschland ist. Die Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf in der Anhörung im Rechtsausschuss dieses Bundestages am 19. Juni 2017 haben den Verrat am Bürger offengelegt: Reporter ohne Grenzen sprach davon, dass das Gesetz gänzlich ungeeignet sei, um die sogenannte Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte zu unterbinden. Stattdessen griffen die Maßnahmen des NetzDG unverhältnismäßig stark in die Presse- und Meinungsfreiheit ein und könnten die Kommunikationsfähigkeit im Internet nachhaltig beschädigen. Diese Kritik teilt der UN-Sonderberichterstattung für Meinungsfreiheit, David Kaye.

Ja selbst die Vereinten Nationen haben sich hier eingeschaltet, weil das Gesetz eine solche Ungeheuerlichkeit ist!

Auch der wissenschaftliche Dienst dieses Hauses legt zahlreiche Mängel und handwerkliche Fehler des Gesetzes offen. In seiner Ausarbeitung hat er Heiko Maas bescheinigt, dass sein Eingriff in die Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, all diese Einsprüche haben Sie ignoriert, Sie haben das Gesetz trotz dieser fundierten Kritik verabschiedet. Aber eines der wichtigsten Elemente unseres Grundgesetzes ist die Meinungsfreiheit und der Meinungsstreit in der öffentlichen Debatte. Nur der Austausch verschiedener Meinungen und damit kontroverser Meinungen gewährleistet und sichert den Pluralismus.

Und ja, nicht alle Meinungen sind bequem, aber wir müssen sie trotzdem ertragen – das ist Demokratie!

Werte Kollegen, die AfD gibt Ihnen die Gelegenheit sich weiter zu dieser Demokratie zu bekennen und den Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit zurückzunehmen. Die Rechtsdurchsetzung gehört nicht in private Hände, sondern in die öffentlicher Gerichte.

Wer anerkennt, dass die Freiheit und damit auch die Meinungsfreiheit unser höchstes Gut ist, der kann nur mit uns für die ersatzlose Aufhebung dieses Gesetzes stimmen. Vielen Dank.“ (stehende Ovationen von der AfD-Fraktion kein Applaus von den anderen Parteien, kein Applaus von Frauke Petry).

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Zum Autor: Thomas Rettig, Jahrgang 1961, studierte Soziologie und Betriebswirtschaftslehre. Er arbeitet seit 1997 selbständig im Bereich Internetmarketing, ist libertär-konservativer Buchautor („Karriereleiter oder Hamsterrad“), Männerrechtler und AfD-Mitglied. Von Februar 2015 bis November 2016 war er Leiter und Redner bei mehreren Pegida-Demonstrationen in Karlsruhe.

Mehr zu ihm www.liberalkonservative.de/#ich und  Artikel bzw. Blog-Beiträge von ihm: www.liberalkonservative.de/#Artikel

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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