Donnerstag, 28. März 2024

TV-Duell zur Bundestagswahl: „Wattebäuschchen der Einheit“

(David Berger) Nun durften wir also bei der angekündigten „Missgeburt“ (Nikolaus Brender) dabei sein. Und bekamen gestern Abend ein TV-Duell zu sehen, das die diesbezüglichen Erwartungen voll erfüllte.

Wolfram Weimer von The European schreibt dazu: „SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trafen sich zum großen TV-Duell – es wurden 90 Minuten biederer Langeweile. Die beiden Duellanten wagten kein Duell – sie tanzten ein Menuett der großkoalitionär-knorrigen Einigkeit.

Schulz warf Merkel zwar Fehler in der Flüchtlingskrise vor und markierte in der Türkeifrage den starken Mann. Umgekehrt hielt Merkel der SPD vor, bei der Rückführung von illegalen Migranten die deutsche Politik zu blockieren. Es gab ein kurzes taktisch-rhetorisches Mikado-Spielchen beim Thema Maut und bei er Rente mit 70 – das war es. Schon beim Dieselskandal flogen wieder die Wattebäuschchen der Einigkeit durch das Fernsehstudio.

Doch in der Substanz der Politik, in fast allen wesentlichen Sachfragen sind die Meinungsunterschiede der beiden winzig.

Zuweilen gewann man den Eindruck, Schulz bewerbe sich nicht um das Kanzleramt sondern um den Posten des Außenminister im neuen Kabinett Merkel.“

(Hier geht es weiter: THE EUROPEAN)

Karl-Theodor zu Guttenberg sieht das ähnlich wie Weimer. Schon kurz nach der Sendung gab er eine Analyse zum TV-Duell ab. Patrick Mayer berichtet darüber: „Bei der vermeintlich einzigen Chance Schulz‘, dem Thema Rente, sei „kaum ein Spannungsfeld sichtbar“ gewesen, sagte er weiter. „Die Kanzlerin hat das Thema abgeräumt. Ihm blieb nur, sich zu bedanken. Man hatte das Gefühl: Da finden sich zwei.“

Der bekannte Alternativ-Blogger Jürgen Fritz bemerkte schon gestern Abend:

„1.Sowohl inhaltlich als auch in der Inszenierung total langweilig.

2. Merkel war m.E. noch nichtssagender als Schulz. Ein einziges Wischi-Waschi, ohne jeden Esprit, ohne jede Vision, ohne jede Begeisterungsfähigkeit. Aber Schulz konnte abgesehen von ganz winzigen kleinen Pünktchen nichts daraus machen. Er konnte nicht klar machen, warum ein Wechsel zur SPD nötig ist. Diejenigen, die sich nach einem Wechsel sehnen, wollen noch weniger die SPD als die CDU. Die Parteien sind sich viel zu ähnlich. Das hat Merkel geschickt eingefädelt. Es gibt keinen wirklichen Grund, SPD zu wählen, weil Merkel nahezu alle SPD-Positionen schon abdeckt.

3. Fazit: Merkel hat heute nichts verloren und Schulz hat für die SPD nichts Nennenswertes gewinnen können. Das „TV-Duell“ wird für die Wahl kaum eine Rolle spielen.“

Eine ganz andere Sendung haben offensichtlich die Macher von Spiegel-Online gesehen, die ihre Resümee mit „Überraschung“ betiteln und wieder einmal Martin Schulz zum Helden des Tages bzw. des Abends erklären: „Martin Schulz tut, was er tun muss: Im TV-Duell greift er an, irritiert die Kanzlerin ... Es war ein munteres Duell, lebendiger als die vergangenen Aufeinandertreffen unter Merkel-Beteiligung. Das lag am SPD-Chef. Schulz wusste, dass er angreifen musste. Und das tat er. Schulz versuchte, die Amtsinhaberin in die Defensive zu drängen, bisweilen gelang ihm das auch.“

Zugleich übt SPON harte Kritik am Verhalten des in letzter Zeit wegen kräftiger Pannen ohnehin in die Kritik gerateten Sat 1-Moderator Claus Strunz: „Beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Herausforderer Martin Schulz hat Moderator Claus Strunz mit populistischen Formulierungen gespielt und ist nicht bei der Wahrheit geblieben – unter den Zuschauern sorgte er damit für Empörung.“

Mir bleibt es da nur noch meinen eigenen Eindruck kurz zu formulieren, der schon im Vorfeld durch die Diskussionen um die Einflussnahme Merkels auf die Redaktion der Sendung geprägt wurde:

So laufen eben TV-Duelle ab in einem Land mit Staatsrundfunk und ohne eine echte Opposition im Bundestag. In einem Land, dessen liebster Spruch die fatale Aussage „Es gibt keine Alternative“ geworden ist.

Wenn dieses Duell eines klar gemacht hat, dann, wie wichtig es für unseren demokratischen Rechtsstaat ist, dass dieser desolate Zustand am 24. September beendet wird.

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David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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