Donnerstag, 28. März 2024

„ZEIT“: Kein Bindestrich? Voll AfD-mäßig!

… oder wie sich die Wochenzeitung „Zeit“ dazu hergibt, dem angeblichen Rechtsrutsch in Deutschland die Schuld an einem Fall orthographischer Schlampigkeit zu geben. Ein Gastkommentar von Ben Krischke 

Der ZEIT-Redakteur Jochen Bittner hat eine Beitrag veröffentlicht, in dem er sich über das „Deppenleerzeichen“ echauffiert, also die Leerstelle, wo eigentlich ein Bindestrich stehen sollte. „DHL Paket“ oder „ICE Fahrkarte“ zum Beispiel.

„Ohne Widerstand wird der Bindestrich bald tot sein. Das zeigt die Verführungskraft irrationaler Moden“,

findet Bittner. Er schreibt: „Vielleicht ist der Kampf gegen seine Auslöschung und – vor allem – gegen die Geisteshaltung, die dahinter steckt, schon verloren“.

Ich finde die These charmant. Eine grammatikalische Unsitte, die sich auch zunehmend in den Redaktionsstuben vermeintlicher Qualitätsmedien beobachten lässt, könnte durchaus ein Symptom von etwas oder ein Indiz für etwas sein. Aber für was?

Bittner schreibt, die Ausbreitung des Deppenleerzeichens zeige

„die Verführungskraft von irrationalen Moden, die Abschussigkeit von Irrwegen, die immer leichter zu betrampeln werden, je mehr Leute denselben Denkfehler machen. Oder das Nachdenken einfach sein lassen.“

Klingt schlüssig, oder?

Ich teile Bittners Theorie durchaus, bezweifle allerdings, dass die sich einfach so auf den Rechtsruck in Europa, die AfD oder ihre Wähler und Sympathisanten übertragen lässt.

Genau das versucht Bittner in seinem Beitrag mit dem Titel „Bindestrich? Voll AfD-mäßig“ aber. Er schreibt:

Gibt’s keine anderen Probleme?, hörte ich Sie fragen, mit ähnlichem gefaltetem Gesichtsausdruck wie meine Kollegen. Doch klar, die gibt es. Die Bedrohung der europäischen Aufklärung durch populistische Bewegungen zum Beispiel.“

Und weiter: „Der Punkt ist bloß: Die Ausbreitung des Deppenleerzeichens ist ein Geschwisterchen dieses Phänomens.“

Wir fassen zusammen:

Das immer häufiger auftretende Deppenleerzeichen weist, laut Bittner, auf wachsende Denkfaulheit und Irrationalität hin, was wiederum zum Erfolg der (Rechts-)Populisten führt.

Die gute Nachricht: das stimmt. Die schlechte Nachricht: anders als Bittner glaubt.

Nicht die Irrationalität der Rechtswähler ist schuld am Rechtsruck in Europa, sondern die Irrationalität der sogenannten Altparteien und linken Medien wie der ZEIT in den vergangenen Jahren. Der Rechtsruck ist nicht Ursache, sondern Wirkung.

Ich erinnere etwa an die späte Einsicht von Giovanni die Lorenzo, der sich und seiner Redaktion, zu der Bittner gehört, eine unsachliche und unreflektierte Euphorie zu Beginn der Flüchtlingskrise und über Monate hinweg attestierte. An die Willkommens-Klatscher an den Bahnhöfen. An das vielerorts propagierte und eigentlich von der linksextremen Antifa stammende „Refugees Welcome“. An das Mantra von den Fachkräften, die zu Hunderttausenden ins Land strömten, das auch bei der ZEIT immer wieder herunter gebetet wurde. An die Behauptung, all die Menschen würden vor dem islamistischen Terrorismus fliehen, weshalb es absurd sei, zu glauben, dass sich darunter auch Trittbrettfahrer und Terroristen befänden. An all die Nazi-Vorwürfe, die im Zuge dessen verteilt wurden. An die über 100 Millionen Euro im sogenannten „Kampf gegen Rechts“, von denen auch ehemalige Stasi-Spitzel und bekennende Linksextremisten profitieren. Oder auch an „irrationale Moden“ wie Gender Mainstreaming und Political Correctness, die die Gesellschaft mehr spalten als versöhnen. So viel zu „das Nachdenken einfach sein lassen“.

Zurück zu Bittner: Der räumt im Text zwar ein, dass ihm jeder „schwer unsympathisch“ sei, „der sich unhinterfragt einem Herdentrieb ergibt, egal ob er Kosmopolit oder Nationalist ist, egal ob er Tütensuppen produziert oder Wahlprogramme“. Ob er damit auch seine eigene Redaktion meint, bleibt offen. Und angesichts der Überschrift „Bindestrich? Voll AfD-mäßig“ kaufe ich ihm diese Relativierung einfach nicht ab. Das ist übrigens auch so ein Vorwurf, der immer wieder aufgegriffen wird, wenn es um die AfD geht: Man posaunt etwas heraus und tue hinterher so als hätte man es doch gar nicht so gemeint. Da fällt mir übrigens auf: Die Überschrift „Bindestrich? Voll AfD-mäßig“ müsste eigentlich „Kein Bindestrich? Voll AfD-mäßig“ heißen. So passt die Headline nicht zur These. Naja, wer immer gewissenhaft Bindestriche setzt, der darf auch mal ganze Wörter weglassen.

Folgende Frage sei mir abschließend noch gestattet:

Wie kann es eigentlich sein, mal ganz allgemein, dass ausgerechnet jene, die sich ständig von Gefühlen und Utopien leiten lassen, anderen permanent Irrationalität und Denkfaulheit unterstellen?

Das erinnert doch sehr an den Film „Shutter Island“, in dem Leonardo di Caprio als US-Marshal in einer Nervenheilanstalt ermittelt. Ohne zu wissen allerdings (Achtung Spoiler!), dass er gar kein US-Marshal ist – sondern selbst Patient auf „Shutter Island“.

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Hier geht es zum Blog  des Autors: BEN KRISCHKE

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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