Donnerstag, 28. März 2024

Traditionsbruch: Wird der Kölner Karneval zur Werbeveranstaltung für die Mächtigen?

(David Berger) Die Geschichte des Kölner Karnevals ist auch deshalb so spannend, weil politisch interessierte Fans der Veranstaltung für diese immer in Anspruch nehmen, dass man dort subversiv und unangreifbar den Mächtigen, der Obrigkeit aus Staat und Kirche einen Spiegel vorhalten und sie so kritisieren konnte.

Seit langer Zeit gilt der Karneval als „Hochburg der Meinungsfreiheit“.

Da ist mit Sicherheit etwas dran. Immer funktionierte das allerdings nicht. Besonders in jenen Zeiten, in denen der Staat übermächtig wurde und Intoleranz bis Verfolgung von Kritikern zur Tagesordnung gehörte.

Ein gutes Beispiel dafür ist die dunkle Zeit des Dritten Reiches. Wikipedia gibt über die sukzessive Gleichschaltung des Karnevals eine gute Zusammenfassung:

kolner-karneval-ns„Es gab einige wenige Karnevalisten, die dem Nationalsozialismus nicht in die Hände spielen wollten. Die bekanntesten waren Hans Jonen und Karl Küpper. Bei Sitzungen erwarteten die Nazis den Hitlergruß; dies nutzte Karl Küpper für eine oft zitierte Nummer auf der Karnevalsbühne: Er betrat die Bühne, hob den rechten Arm und sagte zur Überraschung des Publikums: „Su huh litt bei uns dr Dreck em Keller!“ – „So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!“. Für diese Nummer wurde er zu lebenslangem Redeverbot verurteilt. In der Kölner Narrenrevolte im Jahre 1935 widersetzte sich der organisierte Kölner Karneval der Gleichschaltung der Karnevalsfeierlichkeiten. Die Nationalsozialisten kamen der Forderung der Narren, dass die Belange des Karnevals von den Karnevalsgesellschaften getragen werden sollen, nach, vermutlich weil die Nazis keinen größeren Aufstand auslösen wollten und weil sich die Narren bisher auf, für die Nazis leicht zu erfüllende Forderungen beschränkten. Das Gros des rheinischen Karnevals ließ sich jedoch gleichschalten. Die meisten Karnevalisten zeigten keinerlei Initiative gegen den Nationalsozialismus. Antisemitische Mottowägen beim Rosenmontagszug oder auch Lieder wie „Die Jüdde wandern uss“ von Jean Müller (Ein Kölner Musiker) wurden im Karneval normal. 1936 wurden die bis dahin männlichen Funkenmariechen durch Frauen ersetzt, weil das angeblich dem deutschen Mannestum widersprach und der Homosexualität und dem Transvestitentum Vorschub leiste. Im Jahr 1938 und 1939 wurde die Jungfrau im Kölner Karneval ebenfalls von einer Frau verkörpert.“

Nazivergleich sind immer unpassend, aber an die Vorzeit zu erinnern, um ähnliche Fehler zu vermeiden, ist vielleicht nicht das Schlechteste – zumal der Kölner Karneval derzeit dabei ist, sich in ähnlicher Form unter Kontrolle bringen zu lassen. Nur dass alles diesmal etwas schneller zu gehen scheint.

Auftakt in diesem Jahr war die Verbannung eines karnevalistischen Urgeisteins aus dem Sitzungskarneval. Jupp Menth, der „kölsche Schutzmann“, trat auf Druck der IG-Metall von seinem Job bei deren Karnevalsveranstaltung zurück. Die Kritik an den linken Politikern war den Gewerkschaftlern des Linksstaates dann doch zu hart geworden.

So ist es auch kein Wunder, dass Kölns SPD-Chef Jürgen Ott  der IG Metall den Rücken stärkte. Begründung für die Zensur:

„Gerade in diesem Jahr und nach der Vereidigung des neuen Präsidenten der USA müssen alle mehr ihre Worte wägen.“

Oder um aus der trumpophoben Perspektive des SPD-Mannes zu argumentieren: „Wenn mit Trump schon ein Diktator an die Macht kam, dann wollen wir auch so verfahren …“

Dennoch regte sich angesichts dieses Falles anfangs noch ein leichter Widerstand: „Wenn bei uns an Karneval die Meinungsfreiheit auch schon zensiert wird. Wo gehen wir da hin?“ oder: „Nun hat die Zensur die Hochburg der Meinungsfreiheit erreicht, den Karneval“ zitiert der Kölner „Express“ einige Stellungnahmen von Karnevalisten.

Solchen Stimmen zum Trotz hat der Karneval nun ein neues Betätigungsfeld gefunden, um der Obrigkeit seine Fügsamkeit und sein „Will to please“-Verhalten zu zeigen.

Wenn längst das letzte „Trömmelche“ am Aschermittwoch verstummt ist, soll vom 22. bis 23. April in den Räumen des Kölner Maritim Hotels der Bundesparteitag der AfD stattfinden. Stars des Kölner Karnevals wie die Höhner, Kasalla oder Brings und andere mehr oder weniger bekannte Darsteller wie Marita Köllner oder Martin Schopps, fordern vom Hotel die Absage der Veranstaltung. Nun wird man sich fragen, was ausgerechnet diese Künstler mit dem Hotelmanagement des Maritim zu tun haben:

“Man wolle nicht auf der gleichen Bühne stehen wie die Führung der AfD“.

Aha? Das klingt für den Unkundigen so, als wären sie von der AfD für das Bühenprogramm ihres Parteitages gebucht worden. Was natürlich nicht der Fall ist: Vielmehr finden jetzt in der Karnevalszeit einige Auftritte dieser Karnevalssänger auch in dem Hotel statt.

Dass dem Brief der Künstler sofort ein Shitstorm auf das Hotel folgte, muss man in Zeiten von Scholz&Friends eigentlich überhaupt nicht mehr erwähnen.

Gerd Prochaska, Geschäftsführer der Maritim Hotelgesellschaft, zeigt sich derzeit noch entschlossen. Nicht nur dass er etwas entschuldigend sagt: „Selbst wenn wir wollten, kämen wir aus den Verträgen nicht mehr raus“. Er lässt auch wissen:

„Es ist nicht unsere Aufgabe, die AfD zu bewerten. Das liegt in der Verantwortung der Wähler am 24. September“.

Mit so viel demokratischem Sinn haben offensichtlich die Kölschen Karnevalsstars nicht gerechnet. Wenn früher eine Kirche von Vandalen oder „Hexen“ entweiht wurde, musste sie danach wieder neu eingeweiht werden. Aber nicht einmal in der voraufklärerischen Zeit wäre man dem quasireligiösen Wahn verfallen, noch bevor die Vandalen kamen, die Kirche bereits präventiv zu säubern. Solche Ideen scheint es nur bei den Inquisitoren der neuen Hexenjagd zu geben.

Liebe Verantwortliche des Maritim-Hotels, als nicht AfD-ler, aber entschiedenem Kämpfer für die Demokratie und deren Grundwerte – wie Meinungsfreiheit und Mehrparteiensystem -, geht mein herzlicher Dank an Sie!

Wer glaubt, das von ihm als schlecht Eingestufte mit allen noch so schlechten, unmenschlichen und undemokratischen Mitteln, bekämpfen zu wollen, der bereitet einem neuen Faschismus den Weg, auch wenn er sich Antifaschist nennt.

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Foto (1) © Neva Micheva (Own work), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons (2) Screenshot youtube

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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