Donnerstag, 28. März 2024

Ismaels Herz irrt noch in der Wüste umher

Ismael, einer der Söhne Abrahams, gilt den Arabern als deren Stammvater und wird im Koran als zwar noch unvollendeter, aber erster Moslem dargestellt. An seiner Geschichte zeigt sich, dass das Drama arabischer Muslime nicht nur bis Mohammend, sondern viel weiter zurück reicht. Ein Essay zu einer tragischen Figur, deren Schicksal bis heute in den Islam hineinwirkt von Marko Wild.

Um das Ende einer Geschichte zu verstehen, muss man ihren Anfang verstehen. Der folgende Text ist daher ein Versuch, durch Auslegung der biblischen Ismael-Erzählung auf einen wenig beachteten Aspekt in der langen Vorgeschichte der arabischen Muslime aufmerksam zu machen. Vor allem sie selbst, nicht nur der Westen, könnten davon profitieren, sich diesen bewusst zu machen. Ein Fastfood-Text ist es aber nicht. Man sollte etwas Muse mitbringen.

Arabische Muslime – bis vor kurzem noch Moslems und davor ganz profan Mohammedaner genannt – leiten ihre Herkunft wie die Juden von Abraham ab, dessen Leben etwa auf den Zeitraum um 1900 v. Chr. datiert wird. Das bedeutet: Bronzezeit. Schriftliche Zeugnisse aus dieser Periode der Menschheit sind rar; die Kulturtechnik der Verschriftlichung vollzog zwar gerade den evolutionären Wandel von der Bilderschrift zur Lautschrift. Mit dem Gilgamesch-Epos existiert eine frühe Heldendichtung. Wirkliches historiographisches Bewusstsein aber kam erst rund 1000 Jahre später mit dem Hellenismus und den Israeliten auf. Chronistische Textfragmente aus der Frühgeschichte beziehen sich vor allem auf Namen und Geschlechtsregister der sumerisch-mesopotamischen Lokaldynastien rund um die ersten Städte Uruk, Eridu, Nibru und Ur. Weshalb die Ethnologie bis heute maßgeblich auf die Erzählung des ersten Buches Mose, der „Genesis“ angewiesen ist, möchte sie näheres über Abraham und dessen Nachkommenschaft erfahren.

Laut des Genesis-Textes war Abraham ein wohlhabender Nomade mit großen Viehherden. Er stammte aus Ur, einer sumerischen Stadt, zog mit all seiner Habe das Zweistromland hinauf, dann gen Westen, Richtung des heutigen Israel und wanderte zwischenzeitlich weiter bis Ägypten. Eine Art Mikro-Völkerwanderung auf einer noch sehr dünn besiedelten Erde. Erst im hohen Alter bekam Abraham durch zwei Frauen zwei Söhne. Davon spricht nicht nur das Alte Testament, sondern auch der Koran. Der ältere von beiden hieß Ismael, der jüngere Isaak. Ismaels Nachkommen wurden nomadisch lebende Wüstenbewohner auf der arabischen Halbinsel. Isaaks Nachkommen wurden die Israeliten, denen die heutigen (nicht proselytischen) Juden entstammen.

Die Silbe -el in Namen Ismael bedeutet – wie in vielen anderen Namen auch (siehe Samuel, Daniel, Gabriel, Israel, Elia, Elisabeth usw.) – „Gott“ . Mit dieser Konnotation wurde Ismael von Anfang dem selben Gott zugeordnet, wie Israel. Der El (Plural: Elohim) galt in der biblischen Exegese stets als der echte Gott, während der Bel (von „Baal“ -> Herr, Mächtiger, Besitzer) als Götze, als derjenige, der widerrechtlich diesen Anspruch erhebt und selbst Menschenopfer einfordert, verstanden wurde. Weshalb Namen oder Bezeichnungen mit -bel, der Silbe, die sich auf Baal bezieht, (bspw. Belzebub, Isebel) eindeutig negativ konnotiert sind.

Schauen wir noch rund 400 Jahre weiter zurück, zum Sintflut-Überlebenden Noah. Dort (in Genesis 9,26) wird über Sem, den ältesten Sohn Noahs und dessen Nachkommen prophezeiht, dass er derjenige sein würde, der den einen wahren Gott kennt. Von Sem stammen die semitischen Völker ab. Und tatsächlich waren diese es, die der Welt den monotheistischen Schöpfergott-Glauben brachten.

Ismael war Semit und durch seinen Namen an „El“ gebunden. Er wurde nach Lesart der Araber deren Stammvater und wird im Koran (neben seinem Vater Abraham) als (noch unvollendeter) erster Moslem dargestellt. Die Merkmale, die aus der semitischen Zuordnung zu „El“ folgen, finden wir heute im Islam und den Muslimen wieder: den Ein-Gott-Glauben und die schriftliche Tradierung.

Doch das ist nur die halbe Geschichte Ismaels. Interessanter und im Hinblick auf die Gegenwart aufschlussreicher ist die andere Hälfte: Ismaels – wenn man so will – ganz persönliches tragisches Element. Das im Übrigen allen Völkern resp. Menschen in irgendeiner Form zu eigen ist. Tolstoi formulierte das Prinzip des individuellen Leides im berühmten ersten Satz seines Romans Anna Karenina so:  „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ In diesem Text versuchen wir nun, Völker als große oder erweiterte Familien zu begreifen – ein Ansatz freilich, der von Multikulturalisten vehement in Abrede gestellt und als „rassistisch“ verteufelt wird. Darauf können wir allerdings keine Rücksicht nehmen, insbesondere nicht, weil sich die multikulturalistische Ideologie angesichts der Gegenwart als intellektuell nicht konkurrenzfähig erwiesen hat. Denn Antworten auf die offenen Fragen der gegenwärtigen Völkerwanderung bleibt sie schuldig und kompensiert diese Leerstellen mit Gesinnungsterror und Totschlagargumenten, die jeglichen sinnvollen Diskurs verunmöglichen…

Zurück zu Ismael. Ismaels Unglück bestand darin, nicht der legitime Sohn zu sein. Da Abrahams Weib Sarai lange kein Kind bekam, gab sie ihm ihre ägyptische Sklavin, und forderte ihren Mann auf, zu dieser „einzugehen“, damit sie selbst (Sarai) „vielleicht aus ihr erbaut werde.“ Denn kinderlos zu bleiben war damals eine Schande, eine Strafe Gottes. Die Magd wurde schwanger. Noch bevor der Junge das Licht der Welt erblickte, geschah folgendes: Hagar, die Magd, begann ihre Herrin zu verachten, weil diese nicht schwanger wurde. Sehr wahrscheinlich interpretierte sie ihr sofortiges Schwangerwerden als Beweis göttlicher Bevorzugung. Sarai lief zu ihrem Mann und beklagte sich bei ihm über die Missachtung durch die Sklavin. Abraham erwiderte, sie könne mit dieser verfahren, wie es ihr gefiele. Daraufhin rächte Sarai sich für die erlittene Schmach und demütigte Hagar, bis diese in die Wüste floh. Dort erschien ein Engel und gebot ihr, zu Sarai zurück kehren und jener zu dienen. Und dann machte er eine bemerkenswerte Prophezeihung. Das Kind solle Ismael heißen. Das bedeutet „Gott erhört“, denn er hatte Hagar in ihrer Not erhört und sich ihrer erbarmt. Ismael, so der Engel weiter, werde sehr viele Nachkommen haben (wörtl. „dass sie vor Menge nicht gezählt werden können“). Er werde ein wilder Mensch sein (wörtl. ein Wildesel-Mensch).

Seine Hand wird gegen alle und die Hände aller wird gegen ihn sein. Er aber wird „wider das Angesicht aller seiner Brüder wohnen.“ Die Bedeutung dieser Sätze gelangt, wie wir im Folgenden noch sehen werden, vermutlich erst heute zu ihrer vollen Entfaltung…

Dreizehn Jahre später erscheint Gott Abraham, ändert dessen und Sarais Namen, kündigt nochmals die Geburt eines Sohnes an und bietet Abraham einen „ewigen Bund“, dessen Kennzeichen die Beschneidung aller Männlichen sein sollte. Und Abraham beschneidet Ismael (!). Gott, der El, bekräftigt, seinen Bund zwar nur mit dem noch nicht geborenen Sohn aufrichten zu wollen. Abraham jedoch bittet Gott für Ismael und erhält die Zusage, dass dieser 12 Söhne bekommen und zu einem großen Volk werden wird (wörtl. ich mache ihn fruchtbar und mehre ihn im Übermaß überaus). Sarai, die nun Sarah heißt, wird tatsächlich schwanger und bringt Isaak zu Welt.

Der heranwachsende Junge Isaak („Lachen“, weil Sarah heimlich lachte, als sie hörte dass sie in ihrem Alter noch schwanger werden solle) wird von seinem vierzehn Jahre älteren Halbbruder verspottet, weshalb Sarah ihren Mann bittet, die Sklavin und deren Sohn davon zu jagen, „denn der Sohn dieser Magd soll nicht mit meinem Sohn Isaak erben“. Abraham nahm zunächst Anstoß an diesen Wunsch, fand ihn „überaus übel“ und wollte ihm nicht nachgeben; Gott, der El aber gebot Abraham, es genau so zu tun und gab zum dritten Mal die Zusage, sich auch um Ismael sorgen zu wollen und ihn zu einem großen Volk zu machen „weil er Dein Nachkomme ist“.

expulsion_of_ishmael_and_his_motherAbraham lud Hagar einen Wasserschlauch auf, gab ihr Brot mit und schickte sie mit  Ismael davon. Beide irrten in der Wüste umher. Als das Wasser aufgebraucht war, legte die Mutter Ismael unter einen Busch und setzte sich entfernt von ihm nieder, weil sie sein Sterben nicht mit Ansehen wollte. Wieder erscheint ihr ein Engel. Wieder erhält sie die Zusage, dass Ismael zu einem großen Volk werden würde. Dann wird ihr ein Brunnen gezeigt. Die Erzählung endet mit den Worten, dass Gott mit Ismael war, dass dieser ein guter Bogenschütze wurde und fortan in der Wüste Paran (Halbinsel Sinai) lebte. Seine Mutter – selbst Ägypterin – suchte ihm eine ägyptische Frau.

Diese Erzählung bietet überaus spannende und aufschlussreiche Einsichten, die uns einige der gegenwärtigen Probleme mit muslimischen Zuwanderern besser nachvollziehen lassen. Der Reihe nach.

1.) Ismael wurde von seinem Vater verstoßen. Hier wurde ihm eine zweite, im Grunde unheilbare Wunde geschlagen – nach jener, nicht der legitime Sohn zu sein, sondern trotz Erstgeburt nur den zweiten Rang inne zu haben. Die Folge davon müssen Minderwertigkeit und ein gebrochenes Verhältnis zu Vater und Bruder gewesen sein. Einmal noch trafen Ismael und Isaak aufeinander: sie begruben gemeinsam ihren Vater Abraham. Das lässt darauf schließen, dass Abraham nach Ismael sandte, als er merkte, dass es zu Ende geht. Hätte Ismael erst nach dem Ableben vom Tod des Vaters erfahren, hätte man den Leichnahm u.U. tagelang in der Hitze aufbewahren müssen. Vielleicht konnte der Wunsch des Vaters, Ismael noch einmal zu sehen, Ismaels Schmerz etwas lindern. Doch das ist Spekulation. Von Feindseligkeiten zwischen den Brüdern jedenfalls wird nichts berichtet. Es kann also trotz allem nicht offener Hass gewesen sein, der sich in Ismael entwickelt hat. Dennoch: die Zurücksetzung gegenüber seinem jüngeren Bruder kann nicht folgenlos geblieben sein.

2.) Ismael wurde ein guter Schütze. Da die Erzählung diese Fähigkeit als einzige aus Ismaels Leben besonders erwähnt, wird Ismael aller Wahrscheinlichkeit nach von der Jagd und von Raubzügen gelebt und darin Berühmtheit erlangt haben. Nach Abrahams Begräbnis berichtet der Text von Ismaels 12 Söhnen, von „zwölf Fürsten“. Diese lebten mit ihren Stämmen östlich von Ägypten auf der arabischen Halbinsel, innerhalb ihrer Zeltdörfer. Die korrekte Übersetzung für „Zeltdörfer“ lautet „Umreihungen“ – in der Bedeutung von Schutzwehren. Von großen Viehherden ist dort nicht die Rede. Diese „Umreihungen“ waren offenbar notwendig gewesen als Schutz vor Angriffen. Hier klingt erstmals das kriegerische Element von Ismaels Nachkommen an.

3.) Neben Ismael erwähnt die Genesis noch zwei andere Jäger: Nimrod, den Urenkel Noahs, und Esau, den Urenkel Abrahams. Beiden stellt der Text kein gutes Zeugnis aus. Nimrod wurde ein „Gewaltiger“ auf Erden und soll mehrere Städte erbaut haben (u.a. Ninive). In den wenigen Versen, die die Genesis Nimrod widmet, werden Gewalttätigkeit, Anmaßung und Rebellion gegen Gott deutlich. Auch der Koran erwähnt Nimrod.

Esau, ein rothaariger, hitzköpfiger, in der Wildnis herumstreunender Mann, war wie Ismael ein Erstgeborener, der mit ansehen musste, die der Segen des Vaters dem jüngeren Bruder zuteil wurde und ihm nur der im buchstäblichen Sinne kärgliche Rest blieb – das Leben in der Wüste. Später heiratete Esau eine Tochter Ismaels. Esaus Nachkommen, die Stammesverbände der Edomiter und der Amalekiter, waren den Israeliten durchweg feindlich gesonnen.

Es gibt interessante Ähnlichkeiten am Jäger-Dasein dieser drei. In allen drei Fällen ist der Jäger der Wilde (man erinnere sich: Ismael war ein „Wildesel-Mensch“), der Einsame, derjenige, der ausgestoßen wurde oder sich letztlich selbst ausstieß. Der Jäger stellt gleichsam das Gegenstück zum Hirten dar, der der Zivilisierte ist, der in der Gesellschaft lebt. Der Jäger agiert aus eigenem Vermögen, aus Kraft, Überlegenheit und List – der Hirte ist auf die Zuwendung Els angewiesen – auf den Regen, der das Gras wachsen lässt. Der Hirte muss verantwortlich handeln für viele tausend Stück Vieh, bei Geburten dabei sein, Verwundungen behandeln, Schwaches aufrichten, Verlorenes suchen – kurz: sich sorgen („der Gerechte erbarmt sich des Viehs“ -> Sprüche 12,10). Der Jäger indes gleicht dem „harten Mann“, der „erntet, wo er nicht gesät hat“ (Matthäus 25,24). Er ist frei, unabhängig und hat nur Verantwortung für sich selbst.

Wo Gott Männer erwählte, waren dies oft Hirten (z.B. Jakob, David). Jesus selbst bezeichnet sich als den guten Hirten. Nicht als den guten Jäger. Am Schützen- und Jäger-Dasein Ismaels zeichnet sich eine Entfremdung von El ab. Sein Charakter und der seiner Nachkommen nimmt hier Züge an, die letztlich – um den Fortbestand der Stämme zu sichern – zwangsläufig in Kämpfe um die Macht münden muss. Ein solches Leben ist nicht geeignet zur friedlichen Koexistenz mit anderen. Es ist das Leben in der Wüste ohne Vieh, als die Stunde des Handels und der Karawanen noch nicht gekommen war. Auch von Esau heißt es: „von Deinem Schwert wirst du dich nähren“. Aber: „und deinem Bruder“ (dem Hirten) „wirst du dienen“.

Bei allen Gemeinsamkeiten zwischen Ismael und Isaak (gleicher Vater, Beschnittensein als Zeichen des Bundes mit dem einen Gott, große Nachkommenschaft) war Ismaels Dasein dennoch ein Bruch mit dem Leben des Vaters.

Isaak hingegen, sein Sohn Jakob, sowie dessen Söhne, die zwölf Stammväter Israels, lebten Abrahams Leben weiter – das Leben von halbnomadischen Viehbesitzern. Und ihr Gott blieb der „ihres Vaters Abraham“, der El, welcher sich selbst JHWH nannte. Dass Ismael mit dem Leben Abrahams brach und einen kriegerischen, auf Fehden, Raub, Jagd und Gewalt fußenden Weg wählte, muss auch sein Bild von El, dem Gott, beeinträchtigt haben. Denn niemand kann grundsätzlich anders handeln und denken als es ihm sein Gottesbild vorgibt.

Zu Ismael – und mehr noch zu seinen Nachkommen – passte nun nicht mehr ein Gott des Früh- und Spätregens, ein Gott der sich selbst als Hirte bezeichnet. Ismaels Jäger-Dasein, seine lange zurück liegende Verwundung und sein permanenter Kriegszustand verlangten nach einem entsprechenden Gott – einem rachsüchtigen, gewalttätigen Gott, der keine Gnade kennt und der eine Rechtfertigung zur Verfolgung und Unterwerfung des Bruders lieferte. Genau diesen Gott gab Mohammed den arabischen Stämmen in der Gestalt Allahs. In Europa hätte Mohammed keinen Erfolg gehabt. Dem hellenistisch geprägten Okzident wäre Allah intellektuell nicht befriedigend gewesen. Da hatte man – mit Verlaub – auch ohne Christus schon besseres gehört. Auf dem Aeropag. Oder in Rom.

Ismael aber, der zu lange in der Wüste, in der Entfremdung, gelebt hatte, nahm den Gott an (oft auch erst, nachdem er selbst von Mohammed unterworfen wurde) an, unterwarf sich ihm (Islam heißt Unterwerfung). Mit Allah und den arabischen Stämmen kam zusammen, was scheinbar „natürlich“ zusammen passte (oder -gehörte). Ismaels durch Abstammung, Namensgebung und Beschneidung vorhandene Zuordnung zu dem einen El (Elohim, aramäisch Elah, arabisch Allah) – schien sich fortzusetzen. Auch behauptete Allah von sich ähnliche Dinge, wie der israelitische Elohim JHWH: er habe die Welt geschaffen, er werde über die Menschen am jüngsten Tag Gericht halten, er sei allmächtig, allwissend, allweise usw.

Mochten sein Name semantisch und seine göttlichen Selbstbezichtigungen noch mit El bzw. Elohim verwandt sein; sein Charakter aber war es nicht mehr. In Wahrheit entsprach dieser Gott dem radikalen Bruch Ismaels mit dem Leben des Vaters und stellt die Umkehrung Els in ein zerrbildhaftes Negativum dar. Ismael erkannte die Täuschung nicht.

Durch diesen Gott wurde letztlich die Feindschaft Ismaels gegenüber seinem Bruder Israel zementiert. Bis heute: Araber verfolgen die Nachkommen Isaaks und sprechen ihnen das Existenzrecht ab.

Bleibt ein letzter Teil der Prophezeihung: „Seine Hand wird gegen alle und die Hände aller wird gegen ihn sein. Er aber wird wider das Angesicht aller seiner Brüder wohnen.“ Der erste Teil ist offensichtlich: nicht alle Muslime, aber alle streng gläubigen arabische Muslime befinden sich Zumindest geistig, oft aber auch praktisch) in einem permanenten Krieg. Ihre Hand ist gegen alle und die Hände aller sind gegen sie. Es ist der Dschihad – der Kampf der Gläubigen gegen die Ungläubigen, der Kampf des Dār al-Islām, des „Haus des Islam“ (Gebiete, in denen der Islam herrscht und die Scharia gilt) gegen das Dār al-Harb, das „Haus des Krieges“ (Gebiete, die es noch für den Islam zu erobern gilt).

Wider Ismaels Brüder nun, wider deren Angesicht soll Ismael wohnen. Das Wort „wider“ hat hier eine zweifache Bedeutung: es kann sowohl „gegenüber“, als auch „zum Trotz von“ heißen. Schauen wir nach Israel: die Araber wohnen wider Israel – ihnen gegenüber, aber auch zum Trotz mitten unter ihnen, obwohl die arabischen Staaten mit 13 Millionen Quadratkilometern über das rund 600-fache Territorium des heutigen Staates Israel verfügen. Dennoch wohnen sie „wider“ ihrer Brüder.

Mehr noch: nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer ( 70 u.Z.) wurden die Juden in alle Welt zerstreut. Wo sollte Ismael nun leben? „Wider das Angesicht aller seiner Brüder.“ Gehen die Juden in die Welt, mussten – so könnte man folgern – ihnen irgendwann die Nachkommen Ismaels folgen, um auch dort „wider das Angesicht ihrer Brüder“ zu wohnen. Genau das geschieht seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, seit sich die Kolonialmächte aus dem Nahen Osten zurückzogen und das panarabische Bewusstsein von neuer Stärke zu träumen begann. In bis dahin unvorstellbarer Weise Fahrt aufgenommen hat das Auswandern der Muslime besonders nach Europa jedoch seit dem Jahr 2015. Muslime handeln damit sogar in religiösem Auftrag: die „Hidschra“ bezeichnet eine Auswanderung zum Zwecke der Verbreitung des Islam. (Was nicht unterstellt, jeder Araber, der nach Europa kommt, täte das genau aus diesem Grunde.)

Zusammenfassend will dieser Artikel vor allem sagen, dass das Drama arabischer Muslime nicht nur bis Mohammend, sondern viel weiter zurück reicht.

Mohammed und der Koran haben lediglich eine geistige Katalyse in Gang gesetzt – mit ganz realen Auswirkungen. Die US-geführten völkerrechtswidrigen Invasionen seit 2001 reizten Ismael, nachdem die Region zuvor jahrzehntelang relativ stabil gewesen war, bis aufs Blut und vertreiben ihn aus der Wüste. Nun folgt er seinem Bruder in alle Welt. Vornehmlich nach Europa.

Allerdings, und das muss man deutlich sagen, leidet vor allem Ismael selbst unter seinem Gott „Allah“. Überfüllte Flüchtlingslager sprechen Bände, Saudis, die keinen einzigen ihrer geflohenen und umherirrenden Brüder aufnehmen, obwohl sie reichlich Kapazitäten dazu hätten, erzählen von der Härte und Unbarmherzigkeit Allahs, die auch in jenen lebt, die sich Allah ausliefern.

Ismaels Hoffnung bleibt die nie widerrufene Aussage, er und Israel seien „Brüder“. Ismael stünde demnach immer noch eines offen: zum Weg des gemeinsamen Vaters, der ja kein Israelit und kein Jude war, sondern Semit und Sumerer, zurückzukehren. Die Hoffnung der Muslime besteht also darin, weit weit hinter Mohammed zurück zu blicken, sich auf Ismael und dessen „Gott erhört (aus dem Elend)“ zu besinnen. Das wäre kein Verrat an ihren Wurzeln, sondern in Wahrheit die Annahme des egenen Erbes. Doch dazu müssten Ismaels Nachkommen zunächst erkennen (und sich eingestehen), in welch desolater Lage sie sich tatsächlich befinden. Im Krieg mit aller Welt zu stehen und den süßen, aber vergifteten Traum von der Weltherrschaft des Islam zu träumen, ist ein Weg der Verblendung. Denn die muslimische Welt ist trotz und wegen ihrer religiösen Mission, die sie weit ernster nimmt als der Westen die seine, dem Westen um Jahrhunderte unterlegen.

Ismael spielt eine Rolle in dieser Welt. Durchaus eine tragische. Soll diese ein versöhnliches Ende nehmen, müsste Ismael mit seinem Bruder Frieden schließen.

Ein Schritt, durch den Ismael nach tausenden Jahren in der wörtlichen wie allegorischen Wüste wieder nach Hause finden könnte. Einige wenige Male gab es bereits zögerliche Ansätze. Stichwort Anwar as-Sadat, der allerdings für die Anerkennung Israels durch Ägypten und den Friedensvertrag beider Länder von Dschihadisten ermordet wurde.

Ismael ist noch nicht soweit. Noch irrt sein Herz in der Wüste umher.

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Zum Autor: Marko Wild ist ein 1975 geborener Sachse. Er wuchs bis zu seinem 15. Lebensjahr in der DDR auf, wo er nicht nur die verglichen mit heute sehr gute humanistische Bildung des damaligen Schulsystems, sondern auch eine nicht minder gute christliche Lehre der lutherischen Theologie erfahren durfte, welche ihn bisher durch alle Unbilden einer ebenso schönen wie wahnsinnigen Welt getragen hat.

Seine Eltern waren der Ansicht, dass man einen Beruf zu erlernen hätte. So wurde er zunächst zum Technischen Zeichner ausgebildet. Danach absolvierte er das Fachabitur, weigerte sich jedoch, anschließend das ihm dringend nahegelegte Bauingenieurwesen zu studieren. Statt dessen schlug er den Weg eines Musikers und Journalisten ein.

Heute lebt er mit seiner Familie in einer ländlichen Gegend im östlichen Bayern. Eines vielleicht gar nicht so fernen Tages wird er sicher wieder nach Sachsen zurück ziehen.

Marko Wild war Gebirgsjäger, Taxifahrer und Außendienstler. Er schrieb für ein lokales Printmedium und diverse Blogs. Er jobbte in der Geödäsie und schraubte Schiffsdiesel auseinander. Er fuhr mit dem Auto quer durch Russland bis in die Mongolei, bestieg den Kilimanjaro und wanderte durch das Rif-Gebirge.

Er studierte Journalismus und Kulturwissenschaften in Leipzig. Er komponiert, textet und arrangiert. Er ist Abenteurer und Künstler, Philosoph und Beobachter, Sänger, Gitarrist und Autor, Querdenker und als manifestiertes Nein fast immer dort anzutreffen, wo alle Ja sagen. Nicht aus Prinzip, aber um bestimmter Prinzipien Willen.

Marko Wild hat vier Kinder in die Welt gesetzt, drei CDs aufgenommen, zwei Romane geschrieben, eine Frau geheiratet und null Sympathie für die gegenwärtige Richtung der Bundesregierung sowie ihrer zeitgeistgeschwängerten Helfer und Klone in Politik, Medien und der Antifa.

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Fotos: (1) Die Magd Hagar mit ihrem Sohn Ismael auf der Flucht (c) Giovanni Battista Tiepolo [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons (2) Die Vertreibung Hagars und Ismaels durch dessen Vater Abraham (c) CC Wikimedia Commons

David Berger
David Bergerhttps://philosophia-perennis.com/
David Berger (Jg. 1968) war nach Promotion (Dr. phil.) und Habilitation (Dr. theol.) viele Jahre Professor im Vatikan. 2010 Outing: Es erscheint das zum Besteller werdende Buch "Der heilige Schein". Anschließend zwei Jahre Chefredakteur eines Gay-Magazins, Rauswurf wegen zu offener Islamkritik. Seit 2016 Blogger (philosophia-perennis) und freier Journalist (u.a. für die Die Zeit, Junge Freiheit, The European).

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